Rezensionen: Zwischen Wien und London
Piano
News Juli 2008
Als
Mitglied des seit über 30 Jahren musizierenden Abegg Trios ist
Gerrit Zitterbart bekannt geworden. Aber der Pianist ist vielseitig.
Sein Solo-Repertoire umfasst Kompositionen von Scarlatti bis
Stockhausen. Seit einigen Jahren hat er seine Liebe zu historischen
Tasteninstrumenten entdeckt. Auf seiner neuesten Einspielung lotet
Zitterbart das Spannungsfeld zwischen den beiden musikalischen
Hauptstädten der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus:
Wien und London. In Wien entstanden die Sonaten von Muzio Clementi
und Johann Nepomuk Hummel, aber auch die Kompositionen der in London
ansässigen Komponisten Joseph Haydn und Johann Christian Bach
hat er eingespielt. Zitterbart geht der Frage nach, wer die Sonaten
der sogenannten „Wiener Klassik“ neben Haydn, Mozart und
Beethoven fortgesetzt oder kontrastiert hat. Dazu gestaltet er einen
imaginären Wiener Klavierabend mit Werken der Bach Söhne
Johann Christian und Johann Christoph Friedrich, Muzio Clementi, von
Joseph Haydn und von Johann Nepomuk Hummel. Eine interessante
Zusammenstellung, die Zitterbart ansprechend interpretiert. Dazu
wählte er die Kopie eines Hammerflügels von Anton Walter
aus dem Jahr 1800. Unter seinen Händen entpuppt sich das
Instrument als wahres Klangwunder. Das Ergebnis der Passion für
dieses Instrument in Form der vorliegenden CD könnte nicht
besser umschrieben werden.
Anja
Renczikowski
Klassik heute Februar
2008
Gerrit Zitterbart liebt
historische Tasteninstrumente: „Sie sind wie gut abgelagerter Wein,
klingen noch sehr frisch und knackig, so wie sie zu ihrer Zeit
klangen. Mich reizt die Vielfalt des Klangs [...], wie die
Komponisten genau für diese Instrumente ihre Musik geschrieben
haben.“ Für sein neuestes Projekt Zwischen Wien und London,
in dem er das musikalische Spannungsfeld zwischen diesen beiden
musikalischen Hauptstädten während der zweiten Hälfte
des 18. Jahrhunderts beleuchtet, wählte Zitterbart die Kopie
eines Hammerflügels von Anton Walter aus dem Jahr 1800. Mit ihm
und dem auf der vorliegenden CD eingespielten Repertoire gelingt ihm
ein wahrer Ohrenöffner – und zwar in zweifacher Hinsicht: Die
zwischen 1766 und 1807 entstandenen Sonaten von Johann Christian und
Johann Christoph Friedrich Bach, von Muzio Clementi, Joseph Haydn und
Johann Nepomuk Hummel lenken natürlich die Aufmerksamkeit auf
die Entwicklung dieser Gattung und somit auf den Weg zur sogenannten
Wiener Klassik. Zu Gehör bringt der exzellente Pianist aber auch
ein Instrument, dessen große Klangfülle diesen Werken eine
enorme Frische und Ausdrucksfähigkeit beschert, wie sie
vielleicht eben nur durch die Verwendung eines Fortepianos erreicht
werden können.
Zitterbarts detailliertes
und hellhöriges Durchleuchten der jeweiligen Partituren und der
Sonatenentwicklung von den Bach-Söhnen bis zu Johann Nepomuk
Hummel kennzeichnet eine exquisite Anschlagskunst, die einerseits die
klanglichen Differenzierungsmöglichkeiten des Instruments
gekonnt unterstreicht, andererseits immer ein sorgsames Nachzeichnen
der musikalischen Verläufe gewährleistet – etwa im
virtuosen Laufwerk der Ecksätze und im reizenden Andante von
Johann Christoph Friedrich Bachs Sonate D-Dur. Das Miteinander
von Präzision und Leidenschaft in Zitterbarts gelenkig
phrasierendem und klar artikulierendem Spiel springt den Hörer
bereits bei dem ersten Werk dieser CD förmlich an, in der Sonate
D-Dur op. 5/2 von Johann Christian Bach. Zum Ereignis wird
es in Clementis spannungsgeladener und von extremen
Dynamikschwankungen durchzogenen Sonate g-Moll op. 7/3: Bei
allem Vorwärtsdrang und Ausreizen der klanglichen Möglichkeiten
des Instruments strahlt Zitterbarts Spiel eine souveräne Ruhe
aus; er nimmt sich einfach die nötige Zeit zum Atmen, so dass
die phantasievolle motivische Durchformung gerade des Kopfsatzes,
aber auch des donnernden Presto-Finales stets nachvollziehbar bleibt.
Auch an seiner sich zwischen Galanterie und Wucht bewegenden Lesart
von Haydns Sonata (Variationen) f-Moll Hob.XVII:6 gibt es
nichts zu beanstanden; vielmehr bewundernswert ist sein ausgeprägtes
Gespür für die Architektur dieser Komposition. Ebenso
beeindrucken die Klangsensibilität und Beredsamkeit, mit denen
er den ausdrucksvoll-romantischen Tonfall von Hummels Sonate
f-Moll op. 20 selbst in deren virtuos perlendem Finale aufblühen
lässt.
Fazit: ein attraktives
Projekt, faszinierend umgesetzt, nachdenkens- und immer wieder
nachhörenswert.
Christof Jetzschke
L'ÉDUCATION MUSICALE (Paris), Februar 2008
Le
titre, quelque peu énigmatique: Entre Vienne et Londres,
regroupe en fait des musiciens qui - tels que Johann Christian Bach
et Johann Christoph Friedrich Bach (fils de Jean Sébastien),
Muzio Clementi, «concurrent» de Mozart, et l’élève
de ce dernier: Johann Nepomuk Hummel, sans oublier Franz Joseph Haydn
- ont tous voyagé et se sont illustrés dans le domaine
de la sonate. L’originalité de cette réalisation
réside dans l’utilisation d’un fortepiano
(1800), copie d’un instrument d’Anton Gabriel Walter (1752-1826).
Le son en est assez sombre, sec et sourd. Gerrit Zitterbart propose
ainsi un «récital de piano imaginaire à Vienne»
dans la deuxième moitié du XVIIIe
siècle. L’excellente plaquette présente tous ces
compositeurs et leurs périples européens. La Sonate en
ré majeur (1766) de J. Chr. Bach, sans ambages, frappe par la
transparence, la précision et le jeu perlé de
l’excellent pianiste. Elle marque l’esprit de toute une époque,
avec une certaine insouciance. Les oppositions sont très
soignées; les divers plans, bien mis en valeur. L’Allegro de
la Sonate en ré majeur (1785) de J. Chr. Fr. Bach, plus
énergique, contraste avec l’Andante grazioso, un tantinet
romantique. Le Rondo est plus percutant. Avec la Sonate en sol mineur
(1782) de M. Clementi - appartenant à la génération
suivante -, l’atmosphère change: traits de virtuosité,
accords incisifs, cadences bien marquées. À l’Andante
de la Sonate/Variations en fa mineur (1794), particulièrement
développée, de Fr. J. Haydn, succède une Sonate
(1807) de J. N. Hummel (troisième génération),
dans la même tonalité. Excellent parcours dans le temps
et dans l’espace, grâce à un interprète hors
pair.
Édith
WEBER