Haydn: Sämtliche Klavierkonzerte F-Dur, G-Dur, D-Dur
Concerto
No.4 (F major), Concerto No.5 (G major): The finest performance is by
Gerrit Zitterbart (piano) with the Schlierbach Chamber Orchestra led by
Thomas Fey; it's a supple and expressive reading with wit and drama. Ax
is stronger than Alpenheim but less imaginative than Zitterbart.
Concerto No. 6 (D major): Not only are the reliable Alpenheim, the
decent Rosel, and the eloquent Gerrit Zitterhart in the running, but
also such heavyweights as Argerich and Kissin. There are also piano
versions from Ax, Helen Chang, and Davidovich. None is negligible, but
of the piano versions Zitterbart wears the best.
American record guide
Lange
Zeit führten Haydns Klavierkonzerte ein Schattendasein. Die meisten
sind umgeschriebene Orgelkonzerte, aber die drei hier eingespielten
sind »richtige« Klavierkonzerte. Wer sich auf sie einläßt, ohne Mozart
oder Beethoven im Kopf zu haben, hört wunderbare Musik. Ebenso
wunderbar musiziert Gerrit Zitterbart. Die Kantilenen sind Melodien
voller Gefühl, die Läufe perlen nur so dahin. Dabei vernachlässigt er
nicht das Atmen und wirkt äußerst konzentriert. Im Schlierbacher
Kammerorchester, das in der historischen Aufführungspraxis geschult
ist, findet er einen kongenialen Partner. Eine glasklare
Interpretation.
Interpretation: ***** (hervoragend), Klang: ***** (hervoragend)
FonoForum Mai 2000
Selten
genug werden die Klavierkonzerte von Joseph Haydn eingespielt. Immer
wieder werden sie als minderwertig im Gegensatz zu denen seines
»Nachfolgers« Mozart gesehen, obwohl Haydn – ebenso wie C.P.E. Bach –
diese Form sicherlich zu dem machte, aus dem Mozart und später
Beethoven schöpften. Und selbst wenn diese Konzerte ursprünglich für
das Cembalo gedacht waren, so erkannte schon erwähnter C. P. E. Bach,
dass der Hammerflügel, der in dieser Zeit bereits begann, das Cembalo
als Konzertinstrument abzulösen, bestens für diese musikalische Form
geeignet sei, allein der Spieler müsste sich anpassen. Gerrit
Zitterbart hat schon in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, wie
sehr er sich den Gegebenheiten von Kompositionen anzupassen versteht,
wie sehr er in die Tiefe der Beethoven-Sonaten einzudringen weiß oder
sich mit der Musik von Komponisten aus Romantik und Moderne auskennt.
Nun also die weniger bekannten Haydn-Konzerte aus Hoboken XVIII. Und
wieder versteht sich Zitterbart grandios auf die Anforderungen
einzustellen, den Witz und die extrem sprühende Agogik der Ecksätze
auszudeuten. Das Schlierbacher Kammerorchester agiert unter Thomas Fey
virtuos und punktgenau, folgt dem Pianisten agil in jede Richtung und
vermag auch die Feinheiten direkt in feinsinnigen Klang umzusetzen.
Schön auch, dass dieses Kammerorchester sich mit den Ideen der
historischen Aufführungspraxis vertraut machte und die langsamen Sätze
in den Streichern nicht durch übertriebenes Vibrato tötet, sondern im
pianissimo ruhig dahinfließen lässt.
Zitterbart ist nicht nur ein
virtuoser Pianist, der er bei diesen Konzerten in jeder Hinsicht sein
muss, sondern auch ein Deuter: Besonders seine sensibel ausgearbeiteten
eigenen Kadenzen zu einigen Sätzen zeigen ihn als grandiosen
Interpreten des thematischen Materials, das er bestens in Klavierklang
umzusetzen versteht, ohne sich dabei zu sehr in den Vordergrund zu
drängen. Zitterbart, den Namen sollte man sich endlich einmal merken,
auch wenn der Pianist des Abegg Trios weniger als Solist berühmt ist
denn als Kammermusiker.
PianoNews März 2000
Raritäten
im Konzertbetrieb sind die Klavierkonzerte Haydns. Drei davon, die
Nummern 3 (F), 4 (G) und 11 (D) hat Gerrit Zitterbart zusammen mit dem
ausgezeichnet disponierten Schlierbacher Kammerorchester unter dem
umtriebigen Thomas Fey eingespielt. Zitterbart, Pianist des Abegg
Trios, erweist sich als kluger und zupackender Solist, der die reichen
Konzerte nicht beschwert, sondern deren Witz und Geschmeidigkeit, aber
auch die spielerische Poesie überzeugend einfängt.
Frankfurter Neue Presse Februar 2000
Daß Haydn unterschätzt wird, liegt am unangemeldeten Auftauchen des
Kometen Mozart, der sein Werk bis zur Unscheinbarkeit überstrahlte.
Früher wurde gegen den Verkauf unter Wert Sturm gelaufen, heute
erscheint die Vernachlässigung als Glücksfall. Aus dreierlei Gründen
empfehlen sich Haydns Klavierkonzerte als eine wahre Wohltat fürs Ohr:
Sie sind nicht ausgeleiert wie die Weltberühmtheiten der Wiener
Klassikkonkurrenz. Sie stellen nicht so hohe Ansprüche, weil das
exzessive Ausleben der Emotionen dem Komponisten noch fremd war –
wunderbar wenig anstrengend das Genießen seiner nie auftrumpfenden
Virtuosität. Schließlich stammen sie, was den Aufwand der Ausführenden
angeht, aus einer bescheidenen Zeit: also kein dicker Orchesterklang,
sondern ein durchsichtiges Verweben auserlesener Stimmen. Zum Glück
widerstehen Gerrit Zitterbart und das Schlierbacher Kammerorchester
unter Thomas Fey der Versuchung, die Partituren mozartisch
aufzupolieren. Musiziert wird unaufgeregt und mit verhaltener Kraft, so
daß man dabei auch lesen oder sich unterhalten kann. Das ist als
Kompliment gemeint.
Rheinischer Merkur Dezember 1999
Im Kreis der Klavierheroen ist Gerrit Zitterbart eine
Ausnahmeerscheinung insofern, als er sich selbst kaum in den
Vordergrund stellt. So verwundert es nur auf den ersten Blick, dass er
weder als Solist, noch im Zusammenhang mit dem von ihm mitbegründeten
und mehrfach ausgezeichneten Abegg Trio in einem der gängigsten
Nachschlagewerke für Interpreten überhaupt keine Erwähnung findet und
andernorts nur am Rande erwähnt wird, während sein Altersgenosse
Christian Zacharias etwa oder der sehr viel jüngere Evgeny Kissin ganz
selbstverständlich darin vorgestellt werden. Da hilft selbst die
Bescheinigung des Münchner Kritikerpapstes Joachim Kaiser wenig, der in
Zitterbart eine »klug, prägnant und bewußt« spielende
»Musikerpersönlichkeit von Rang« sieht.
Betrachtet man Zitterbarts Soloveröffentlichungen, wird klar, weshalb
dieser Pianist gern »überhört« wird: da finden sich weder Liszt noch
Rachmaninoff, dafür aber lenkt er von Mozart, Beethoven, Schumann,
Chopin oder Debussy den Blick auf Clementi und Kuhlau, Strawinsky,
Blacher, Berg und Stockhausen. Und nun auf Haydn: Zusammen mit dem
Schlierbacher Kammerorchester unter der Leitung von Thomas Fey zeigt
Zitterbart auf seiner neuesten CD ein sehr differenziertes,
klangschönes, aber nie glattes, lebendiges und doch nie übertrieben
aktionsreiches Haydn-Verständnis, das auf den ersten Blick gar nicht
spektakulär erscheint und doch überaus bemerkenswert ist, weil es so
unendlich viele Nuancen, schillernde Farben und ausgekostete Affekte
bereit hält und dabei immer auch große emotionale Tiefe besitzt.
Die schönsten Beispiele hierfür sind die langsamen Sätze, etwa der
Adagio-Satz aus dem Klavierkonzert Nr. 4 (G-Dur). Nie mit Schwere
aufgeladen und auch nicht von alles überfliegender Leichtigkeit
offenbart dieser Satz die große Kunst dieses Pianisten, Gedanken- und
Gefühlstiefe mit einer seltenen, lichtdurchfluteten Schwerelosigkeit zu
verbinden: Hier quält sich keiner tiefsinnig vergrübelt wie
Michelangeli durch den Satz, nur um zu beweisen, dass auch die Konzerte
von Haydn im Vergleich zu denen Mozarts so blass gar nicht sind, wie es
lange hieß, und dass sie durchaus einer Beachtung auch im Konzertleben
wert wären.
Die gleiche Qualität zeichnet auch die langsamen Sätze der Konzerte Nr.
3 (F-Dur) und Nr. 11 (D-Dur) aus, die auf dieser Platte ebenfalls zu
hören sind, und das »SKO« sekundiert unter Thomas Fey mit klanglicher
Delikatesse und subtiler dynamischer Gestaltungen. Auch bei den
hauchfein gesetzten Rubati folgt man dem Pianisten aufs Genaueste und
mit musikantischer Eleganz. In den schnellen Rahmensätzen brillieren
Solist und Orchester mit impulsiver Verve und exzellentem
Zusammenspiel. Die dynamischen Gegensätze sind hier krasser, die
rhythmische Akzentuierung ist effektvoller. Da gestalten
gleichberechtigte Partner mit derselben Intension: dem Komponisten
Haydn jenen Stellenwert im heutigen Musikleben wiederzugeben, den ihm
seine bedeutendsten Schüler, Mozart und Beethoven, zeitlebens beimaßen.
Neben einigen ausgewählten Spezialensembles der Frühklassik weiß auch
das Heidelberger Ensemble um Thomas Fey mit seiner überwiegend
individualistischen, an Facetten reichen Haydn-Sicht zu diesen
allgemeinen Bemühungen beizutragen, wie auch diese Einspielungen
eindrucksvoll belegen.
Rhein-Neckar-Zeitung November 1999