»Was machst du mit dem Knie, lieber Brahms?«
pianistische Parodien im Stil großer Meister von Ochs, Pillney, Priegnitz, Volkmann
»Die besten Platten des Jahres«
Nominierung durch den Kritiker Klaus Geitel · Berliner Morgenpost Dezember 2005
Beinahe wie Mozart · Pianistische Parodien
Viele Komponisten sind einmal parodierenderweise, in die Haut von
Kollegen geschlüpft – so wie Kabarettist Mathias Richling manchmal als
Angela Merkel auftritt. Unter dem Titel »Was machst du mit dem Knie,
lieber Brahms?« hat der Göttinger Pianist Gerrit Zitterbart vier
pianistische Parodien im Stil großer Meister eingespielt: von den
Variationen über »’S kommt ein Vogel geflogen« von Siegfried 0chs über
Karl Hermann Pillneys »Eskapaden eines Gassenhauers«, die den Schlager
»Was machst du mit dem Knie, lieber Hans« aus den zwanziger Jahren
variieren, bis zu den geschmeidigen »Lili Marleen«-Varianten von
Norbert Schultze und Joachim Volkmanns »Vierzehn Stilübungen«, denen
das Kinderlied »Ein Männlein steht im Walde« zugrunde liegt.
Zitterbart kann wunderschön augenzwinkernd Klavier spielen – und die
Fähigkeit dieser vier Komponisten, sich fremder Idiome zu bedienen, ist
bestechend. Die CD schließt eine Lücke im Repertoire, derer man sich
früher gerade in Karnevalszeiten schmerzlich bewusst war.
Michael Schäfer · Göttinger Tageblatt 22. Januar 2005
Der
Göttinger Pianist Gerrit Zitterbart ist neben seiner Tastenkunst auch
ein munterer Erzähler. Hier stellt er vier Parodie-Variationen vor, die
bekannte Melodien – etwa: »Kommt ein Vogel geflogen« – in den Stil
großer Meister versetzen. Knappe, kluge Kommentare machen daraus eine
musikhistorische Vergnügungsreise.
Der Spiegel, KulturSPIEGEL 9/2005 Johannes Saltzwedel
Stilkunde leicht gemacht
Es scheint, als trauten sich erst in jüngerer Zeit wieder einige, von
Humor in der Musik zu sprechen. Zu Ernst wollten einige der Musiker,
und auch einige des Publikums bei den Konzerten der fehlbezeichneten
»ernsten« Musik verstanden werden. Geradezu erlösend scheinen da die
parodistischen Variationen von Siegfried Ochs, Karl Herrmann Pillney,
Hans Priegnitz und Joachim Volkmann. Mit ihren Adaptionen der Stile
großer Meister, angewendet auf Melodien bekannter Volkslieder, heben
sie einen Teil jenes Ernstes auf, der wohl hinter dem einen oder
anderen Original gesehen wurde. Gerrit Zitterbart spielt sämtliche
Stücke auf der Aufnahme, und durch seine Moderation ermöglicht er einen
entspannten Genuß, bei dem man sich ohne Lektüre zurücklehnen und
amüsieren kann.
Kommt ein Vogel geflogen – und noch einer, und noch einer…
Mit
den »Variationen über ein deutsches Volkslied im Stile älterer und
neuerer Meister« eröffnet Siegfried Ochs (1858-1929) eine neue
Perspektive auf die Musik bekannter Komponisten. Als Variationsthema
dient das bekannte Kinderlied »Kommt ein Vogel geflogen«. Ochs nimmt
diese Melodie und schreibt daraus Variationen, wie wohl Bach, Haydn,
Mozart bis hin zu Verdi und Wagner sie geschrieben hätten. Manchmal
findet man einfach nur typische Wendungen, sei es in den Verzierungen
(Mozart), den Begleitfiguren (Haydn), den Rhythmen (Strauß) oder den
Harmonien (Chopin). In anderen Fällen lehnt Ochs seine Bearbeitung
direkt an ein bekanntes Werk an, das sich leicht wiedererkennen läßt
(Wagners Walkürenritt). Den Abschluß kennzeichnet er mit einem
Militärmarsch, der wohl auch dem Kaiser gefallen hätte.
Gassenhauer auf Abwegen
In
Anlehnung an die Verarbeitungen von Ochs arbeiten die anderen
Komponisten dieser Aufnahme über ähnlich bekannte und einfache Themen.
Hans Priegnitz (1913-1984) und Karl Hermann Pillney (1896-1980) mischen
in ihren Variationen typische Kompositionsstile verstärkt mit der
Anlehnung an bekannte Werke. So wird man bei Pillneys »Verdi« über das
Thema »Was machst du mit dem Knie, lieber Hans?« zunächst nach Ägypten
zur Aida geführt. Vertraut beginnt die Fanfaren-Arie, doch bereits nach
wenigen Tönen landet man in der Volksliedmelodie. Aber auch diese wird
im gleichen Stil pompös durchgehalten, so daß man Ägypten nicht sofort
wieder verlassen muß. Ähnliche Vorgehensweisen leiten aber auch
sanftere Klänge ein, wie die Bearbeitungen nach Chopin.
Nicht ganz einsam im Wald
Joachim
Volkmann (geb. 1926) nimmt sich wieder ein Volkslied zur Grundlage, mit
dem er seine »Vierzehn Stilübungen« ausführt. Zu »Ein Männlein steht im
Walde« entstehen seine »Variationes humoris causa« und es fällt in der
Tat schwer, bei diesen Adaptionen ernst zu bleiben. Das Thema dient
nicht nur in musikalischer sondern auch in inhaltlicher Weise als
Grundlage. Von Anlehnungen an die Waldsteinsonate von Beethoven über
Schumans »Waldscene« bis hin zur Arie des Fungo aus dem – bislang
unentdeckten – Werk »Un ometto nel bosco« aus Verdis Nachlaß bewegt
sich alles im Wald. Manchmal allerdings dient auch der scherzhafte
Aspekt als Grundlage: Strawinskys »Scherzino« und Hindemiths
»Interludium« wissen die Kurzweil des zwanzigsten Jahrhunderts zu
vertreten.
Moderat moderiert
Gerrit
Zitterbarts Interpretationen der zumeist sehr kurzen Stücke werden
jeweils mit einem kurzen Kommentar eingeleitet. Durch sein vielseitiges
Repertoire von Scarlatti bis Stockhausen fällte es dem Pianisten
offensichtlich leicht, durch die Epochen der Musikgeschichte zu
springen und jeweils in aller Kürze genau den Eindruck zu vermitteln,
welchen der Komponist wohl im Geiste auszukomponieren suchte. Die zum
Teil technisch anspruchsvolleren Stückchen werden dem Hörer auf derart
leichte Art präsentiert, daß dieser sich mit Genuß auf die
humoristischen Aspekte konzentrieren kann.
Die Leichtigkeit, mit
der Zitterbart die Variationen vorspielt, wird noch durch seine lockere
Art der Moderation unterstrichen. Dabei nimmt sich der Pianist selbst
nicht allzu ernst, und sollte er dennoch in einen belehrenden Stil
verfallen, sorgt die Tontechnik für die entsprechende »Erlösung«.
Möglicherweise trifft er hier nicht den Geschmack aller Hörer, und vor
allem Puristen mögen sich gestört fühlen. da diese Aufnahme aber gar
nicht so ernst genommen werden will, kann man die Kommentare auch mit
einem großzügigen Lächeln genießen. Insgesamt stellt diese Übersicht
ein vergnügliches Spiel mit den Manierismen großer Meister dar, deren
Darbietung durch die kunstvolle Ausschöpfung nicht in die Gefahr gerät,
in den Klamauk abzugleiten.
klassik.com Oktober 2005, Thomas Richter
www.klassik.com
Grenzen überschritten – neue Crossover-Produktionen
Herrlich
amüsieren kann ich mich über die musikalischen Späße, die Pianist
Gerrit Zitterbart unter dem Motto »Was machst du mit dem Knie, lieber
Brahms« zusammengetragen hat: launig-augenzwinkernde »Parodien im Stile
großer Meister« auf Motive wie »Kommt ein Vogel geflogen«, »Lili
Marleen« oder »Ein Männlein steht im Walde«.
Audio Oktober 2005, Lothar Brand
Das ist doch mal eine witzige und durchaus genialistische Idee: Der Pianist Gerrit Zitterbart hat sich auf die Suche gemacht und ist bei Komponisten wie Siegfried Ochs (bestens bekannt durch seine Variationen über »Karneval von Venedig« für Trompete und Orchester), Karl Hermann Pillney, Hans Priegnitz und Joachim Volkmann fündig geworden. Diese Komponisten haben sich berühmte Gassenhauer oder Volkslieder vorgenommen und diese variiert – im Stile großer wie berühmter Komponisten. So wird von Ochs das Volkslied »Kommt ein Vogel geflogen« im Stile Mozarts, Bachs, Beethovens, Chopins oder auch Wagners variiert. Pillney widmet sich in gleicher Manier dem Hit früherer Zeiten »Was machst du mit dem Knie, lieber Hans?«, Priegnitz hat sich die Melodie »Wie einst Lili Marleen« vorgenommen. Joachim Volkmann setzt dann noch einen drauf mit der Melodie von »Ein Männlein steht im Walde«. Doch warten Sie! Bevor Sie schnell abwertend beurteilen, was diese Komponisten in der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vollbracht haben, sollten Sie sich diese CD in jedem Fall anhören. Und Sie werden erstaunt sein, mit welcher Konsequenz und mit welchem Einfühlungsvermögen hier die Stilrichtung der berühmten Kollegen getroffen wurde. Die Herren Komponisten haben ihre Vorgänger eingehend studiert und großartige Miniaturen geschaffen, Parodien, wie sie in Zeiten der Komponisten selbst weitaus üblicher waren als heutzutage, wo alles vielleicht ein wenig zu ernst gesehen wird. Und zudem spielt Gerrit Zitterbart diese Variationen derart bravourös, dass man diese CD durchaus als Preziosum pianistischer Stilübungen betrachten kann. Und wenn Zitterbart dann noch vor jeder Variation witzig ansagt, welche Art der Verarbeitung vorliegt, dann macht das Hören einen immensen Spaß und lässt einen unweigerlich staunen und schmunzeln.
Piano News November 2005
»Edition
Ohrwurm«! – Selten hat ein Label mit einer Edition so treffend den
Anspruch seiner Firmen-Taufe erfüllt wie hier mit Gerrit Zitterbarts
klavieristischer Umschau im Land der Komponisten-Travestien, des
pianistischen Kabaretts, der volkshochschulischen Wissensvermittlung
unter dem akustischen Deckmantel des Augen- und des Ohrenzwinkerns.
»Pianistische Parodien im Stil großer Meister« ist diese Sammlung zu
Recht überschrieben – und nicht wenige Musikfreunde werden die
Orchesterfassung von Siegfried Ochs’ Variationen über ein deutsches
Volkslied schon mit detektivischem Schmunzeln genossen haben. Doch bei
dieser Gelegenheit beschränkt sich der Vortrag »im Stile älterer und
neuerer Meister« auf die abstrakte, aber doch handliche Philharmonie
eines Klaviers. Zitterbart moderiert die einzelnen Verfremdungen,
Verkleidungen und Umschminkungen von Es kommt ein Vogel geflogen, er
kommentiert und relativiert die getarnte Wirklichkeit eines
Gassenhauers, wie ihn der komponierende Pianist Hans Priegnitz
lustvoll, hintersinnig auf bekannte Meister projiziert hat. In der
launigen Tat: eine Rundreise durch die Musikgeschichte, eine Stilübung
in insgesamt 52 Einzelteilchen – unbekümmert und zugleich gekonnt sich
gekümmert serviert von einem Interpreten, dessen Bart bei dieser
Gelegenheit ganz offenkundig vor Vergnügen zittert.
Klassik heute November 2005, Peter Cossé