Mozart Klaviersonaten a-Moll KV 310, C-Dur KV 330,

B-Dur KV 333, Fantasien d-Moll KV 397, c-Moll KV 475

Hörabenteuer mit Mozarts Fortepiano

 Will man Mozarts Klavierwerk hören, so wie es der Komponist selber gehört hat, so merkt man schnell, dass Hammerklavier-Einspielungen sehr rar gesät sind. Dabei bietet der erfrischende Klang eines historischen Fortepianos ein spannendes Hörabenteuer, speziell wenn ein so intelligenter Musiker wie Gerrit Zitterbart mit von der Partie ist.
An keiner Stelle hat Zitterbarts Interpretation etwas von jener gedankenlosen Bravheit vieler Mozartinterpreten, deren Interpretationen nicht atmen. Er macht das Prinzip der Sonatenhauptsatzform einschließlich seiner Unverwechselbarkeit unter Mozarts Händen plastisch erlebbar. Er präsentiert die Haupt- und Seitensätze der einzelnen Sonaten in ihren unterschiedlichen motivischen Ausprägungen klar gegliedert und mit Blick auf das Wesentliche. Die breit angelegten, Unruhe stiftenden überleitenden Passagen dazwischen kontrapunktieren mit der ihnen gebührenden Schärfe das lyrische Geschehen. Nicht auf Ausgleich, sondern auf Kontrast ist Zitterbarts Interpretation angelegt. Indem er Härten nicht meidet, sondern bewusst ausspielt, beleuchtet er aus seiner künstlerischen Perspektive heraus Mozarts Musik unter dem Aspekt, den auch die Vertreter der historischen Aufführungspraxis immer wieder hervorheben: Nicht durchweg lieblich und gefällig ist Mozarts Tonfall – so hätten es gern die Vertreter der Easy Listening Branche –, sondern immer wieder auch schroff und widerborstig. Akzidentien, verzierende chromatische Durchgänge und Vorschläge sind bei Zitterbart nicht dazu da, schmeichelnd zu überbrücken wie im ‘galanten Stil’ der vor Mozart-Zeit, sondern sie treten vor allem akzentuierend hervor. Damit weisen solche Akzidentien voraus auf ihre Bedeutung in Beethovens Stil, wo sie niemals mehr einfach auszieren, sondern immer Bestandteil der musikalischen Substanz sind. Zitterbart kommt dabei ohne große publikumswirksamen Gesten aus, kein Pathos oder falsch verstandene Romantik, die Mozarts Klavierwerk nur schaden würde. Stattdessen: Präzision und Innerlichkeit zugleich, intellektuelle Leidenschaft par exellence.
Zusätzliche Würze wird der Aufnahme durch die für die Mozart-Zeit typische Kirnberger Stimmung verliehen, die für geübte Ohren zunächst etwas schräg anmuten mag, sich dann aber als ein Plus an Farbenreichtum und tonaler Intensität herausstellt. Abwechslungsreich die Auswahl der Stücke: Der im leichten Improvisando-Ton gehaltenen d-Moll Fantasie KV 397 folgt die charmante C-Dur Sonate KV 330, die dämonische a-Moll Sonate KV 310 wird gepaart mit der opernhaften c-Moll Fantasie KV 475, abschließend die verspielt-quirlige B-Dur Sonate KV 333. Die Aufnahme ’atmet’ nicht zuletzt auch deshalb, weil sie als Live-Konzertmitschnitt entstanden ist. Das Booklet erklärt das historische Instrument hervorragend.
klassik.com März 2006 (Florian Hobert)
www.klassik.com

Klassik heute 10/2005

Künstlerische Qualität: 9 von 10 möglichen Punkten
Klangqualität: 9 von 10 möglichen Punkten
Gesamteindruck: 9 von 10 möglichen Punkten

In einem Interview der Süddeutschen Zeitung vom 14. September dieses Jahres bricht Gerrit Zitterbart kenntnisreich und enthusiastisch eine Lanze für den »perfekten Hammerflügel«. Er geht so weit, daß selbst das historisch korrekte Saitenmaterial, das erst heute wieder zu reproduzieren sei, eine wichtige Rolle für einen authentischen Klang spiele. Der Kollege Andreas Staier, ausgewiesener Fortepiano-Spezialist von Haydn bis Schubert, verabscheut es, auf solche technischen Details angesprochen zu werden: Wer es nicht hört, dem helfen auch keine Erklärungen über instrumentale Details, ist sein Argument, und man möchte ihm zugestehen, daß er sich wie ein Sterne-Koch gegen Topfgucker wehrt. Der Vergleich der vorliegenden Einspielung mit den beiden Mozart-CDs, die Staier bei harmonia mundi vorgelegt hat (HMC 901856, SACD HMC 801815), läßt Staiers Einwände gegen das Primat einer geschmäcklerischen Abwägung der Instrumentaltimbres vor einer Würdigung der musikalischen Gestaltung durch den Interpreten auf einem Instrument, das ihm Möglichkeiten an die Hand gibt, die er auf einem modernen Flügel nicht hätte, gerechtfertigt erscheinen.
Sowohl Staier als auch Zitterbart verwenden Kopien eines Fortepianos, das der Wiener Klavierbauer Anton Walter 1785 in Wien baute. Mozart selbst besaß einen Walter-Flügel, und diese Informationen mögen als Authentizitäts-Nachweis für beide Einspielungen genügen. Beide Künstler nutzen das Instrument unter ihren Fingern als Medium persönlicher musikalischer Gestaltung. Es ist eigentlich ein Schande, daß man so etwas überhaupt erwähnen muß, zeigt es doch das Ausmaß der Scharlatanerie an, mit dem minderwertige Musiker ihre technische Fixigkeit jahrelang durch Weihrauchschwaden vor originalen Instrumenten inszenierten, ohne auf diesen Wunderwerken je Musik zu machen.
Zitterbart und Staier sind beide genuine Musiker und zeigen sich, jeder für sich, als souveräne Gestalter auf vergleichbarem instrumentalem Terrain. Als besonders interessant erweist sich hier ihre Interpretation der Fantasie c-Moll KV 457: Zitterbart vorwärtsdrängend, auf Beethoven hinweisend, Staier nicht minder dramatisch, doch mehr in historischem Kontext stehend, da er das Stück (mit guten musikwissenschaftlichen Argumenten auf seiner Seite) als Präludium zur c-Moll-Sonate KV 457 auffaßt.
Die direkte Aufnahmetechnik bei Zitterbart mag den Eindruck eines unmittelbaren Angangs verstärken, Staiers Fortepiano ist von harmonia mundi meisterlich eingefangen, die spröde Lieblichkeit des Instruments kommt wunderbar mit allen Facetten zur Geltung! Vom künstlerischen Standpunkt ist jedenfalls zu begrüßen, daß mit Staier und Zitterbart (und dem nicht zu vernachlässigenden niederländischen Solisten Ronald Brautigam!) drei exquisite Musiker CD-Einspielungen klassischer Klavierliteratur vorliegen, die auch auf historischen Klavieren den gestaltenden Interpreten wieder in den Vordergrund des musikalischen Erlebens rücken. Es kann kein besseres Zeichen für die Emanzipation des Fortepianos geben; wer was lieber mag, möge nun jeder Musikfreund wieder für sich selbst entscheiden!
Detmar Huchting

Piano News Januar 2006
Wenn Mozart seine Sonaten und Fantasien so gespielt hat wie Gerrit Zitterbart hier auf historischem Instrument, dann dürfte er eine Wirkung erzielt haben wie 100 Jahre nach ihm Franz Liszt. Unglaublich, mit welcher Wucht Zitterbart in der Live-Aufnahme eines Göttinger Konzerts vom Januar 2005 durch die Durchführung des ersten Satzes der a-Moll-Sonate rasselt, wie scharf er in diesem Stück und in den Fantasien kontrastiert. Die »harmloseren« C- und B-Dur-Sonaten kommen frisch, gelenkig, brillant und glasklar artikuliert; der erste Satz von KV 333 für meinen Geschmack ein bisschen zu schnell. Der Hammerflügel, eine Anton-Walter-Kopie von Robert Brown, verfügt über einen singenden, farbigen Klang, ist jedoch streng genommen in der Bauart etwas zu jung. Das Vorbild stammt von 1800, Mozarts a-Moll-Sonate (ältestes Werk auf der CD) von 1778.
Oliver Buslau