Konzertkritiken
Lüneburg Januar
2016
Auf dem Weg zum Olymp
Angekommen „Auf dem Weg
zum Olymp“, Titel der Matinee-Reihe im Musikschulforum und Beitrag zur
Norddeutschen Kammerakademie, hat Ludwig van Beethoven künstlerisch den Zenit
unzweifelhaft erklommen, mehr geht kaum. Das bewiesen seine Sinfonie Nr. 8, op.
93 sowie das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5, op. 73. Beide Werke
standen auf dem aktuellen Programmzettel der Lüneburger Symphoniker. Nun ist
der vierteilige Zyklus beendet, Neues wird folgen. Und Beethoven? Er beginnt
seine Sinfonie extrem langweilig, wie Dirigent Thomas Dorsch lapidar
feststellte. Es plätschert eine Weile arglos vor sich hin, doch bald folgt
Spannenderes.
Die achte Sinfonie besticht durch ihre
messerscharfen Brüche, ein waghalsiger Ritt durch die Tonarten, eine Melange
aus Heiterkeit und Hintersinn, Ausgelassenheit und Nachdenklichkeit, dazu
abrupte Schlüsse. In vier kurzen Sätzen formuliert der Komponist fast ein Credo
seines Schaffens, zitiert sich, blinzelt in den Imperfekt und riskiert den
Kennerblick zu fremden Klangufern, die erst viel spätere Kollegen austarieren
werden.
Reduktion und Radikalität prägen das Stück und,
so machte Dorsch es in seiner launigen Einführung deutlich, bietet es den
Instrumentalisten knallharte Aufgaben. Bestens vorbereitet bewältigten die
Ausführenden diesen Hürdenlauf souverän, ließen die Musik höchst vital atmen,
variierten Tempo und Dynamik vorzüglich.
Kippelt Beethoven in der Achten virtuos
zwischen Euphorie, Banalität und Abgrund, fordert mit den vielen Leerstellen
das Publikum heraus, wirkt auch das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 5
überraschend aphorismenhaft: Eine experimentelle Reise in ungewohnte Gefilde.
Zum Auftakt beispielsweise fehlt das Thema. Wieder bestimmt scheinbare
Belanglosigkeit den ersten Eindruck und das Soloinstrument spielt beinahe keine
Rolle, während der Apparat zunehmend markantere Zeichen ausstrahlt.
Erst im weiteren Verlauf darf der Pianist
richtig vorpreschen, Pfade auslegen, dominieren. Gerrit Zitterbart gestaltete
diesen Part auf dem Hammerflügel mit Konzentration und Verve. Wie die Sinfonie
lebt das Klavierkonzert von enormen Kontrasten, Reibungen, plötzlichen Zäsuren.
Thomas Dorsch führte die Symphoniker und den
Solisten auf eine harmonische Klanglinie, horchte das gewaltige Spektrum aus,
forcierte die Dramatik in den schnellen Läufen, ließ zupackend agieren und
gönnte den leiseren Momenten angemessen gesüßten Schmelz: eine energetisch
aufgeladene Wiedergabe, in der Gerrit Zitterbart als subtiler Gestalter
glänzte. Die Zuhörer goutierten das Beethoven-Doppel mit Genuss und äußerst
beifallfreudig.
Landes-Zeitung
Lüneburg, Heinz-Jürgen Rickert
Göttingen Januar
2016
Das singende Clavier
Romantisch begann das
Jahr im Göttinger Clavier-Salon. Gerrit Zitterbart hatte zum Neujahrskonzert
eingeladen und sein Konzertprogramm mit „A Ladies‘ Diary“überschrieben. Dies
stand symbolisch für die Epoche, in der auch sein Flügel von Robert Wornum
(London) gebaut worden ist, also die Jahre um 1845. Zitterpart präsentierte Klaviermusik
mit Werken von John Field bis Frédéric Chopin. Charmant und informierend schlug
Zitterbart in seiner Moderation die Bögen der einzelnen Komponisten zueinander.
Nach den „Nocturne“ von
John Field, die der Komponist auch in Warschau in Anwesenheit des noch jungen
Frédéric Chopin spielte, sowie zwei Werken von Franz Schubert standen „Lieder
ohne Worte“ auf dem Programm. Musik der„Erfinderin“ dieser Gattung Delphine von
Schauroth erklang ebenso wie die von Fanny Hensel und natürlich von Felix
Mendelssohn Bartholdy. Und Gerrit Zitterbart ließ diesen auf abenteuerlichem
Weg nach Göttingen gelangten historischen Flügel singen. Die von Wornum
erfundene, hoch komplizierte Anschlagtechnik erklang unter seinen Fingern
überhaupt nicht kompliziert. Im Diskant erklangen diese Lieder glockenhell, wie
eine jugendliche Sopranstimme in diesen „Liedern ohne Worte“.
Nach der Pause standen
zunächst Stücke von Robert Schumann auf dem Programm. Auch wenn Schumann selbst
vermutlich auf einem anderen Instrument gespielt hatte, zauberte Zitterbart aus
den Stücken aus dem „Album für die Jugend“ wahre Kleinode. Das gilt vor allem
für die „Träumerei“ aus den „Kinderszenen“, die Zitterbart mit großer Zartheit
und viel Gefühl zum Klingen brachte.
Den Abschluss bildeten
Préludes und Walzer von Chopin. Hier verbanden sich Gefühl, Melancholie und
Virtuosität zu einem Gesamtkunstwerk. Das Publikum im gut gefüllten
Clavier-Salon wurde damit in das Neue Jahr entlassen – nicht ohne seiner
Begeisterung durch lang anhaltendem Applaus Ausdruck zu verleihen.
Göttinger
Kulturkalender,
Jens Wortmann
Göttingen Dezember 2015
Königliches Bimbam
Dem Ernst des Abends
entsprechend betrat der Solist in Frack und Zylinder den Saal und eröffnete den
Piècen-Reigen mit Bachs C-Dur-Präludium. Dem folgte das meisterliche
Arrangement dieses Stückes in Gestalt von Charles Gounods „Ave Maria“ – in
angemessen gefühlstrunkener Interpretation. Nicht minder meisterlich und bis in
die filigransten Zweiunddreißigstel-Verästelungen hinein virtuos war
Zitterbarts Vortrag des musikalischen Juwels von Paul de Senneville, dessen
Schöpfer sich gern im Schatten seines berühmtesten Interpreten Richard
Clayderman verbirgt.
Eine solche „Ballade
pour Adeline“ hört man nicht alle Tage. Musikwissenschaftlich aufschlussreich
waren Zitterbarts Erläuterungen zu Mozarts fein dahingewischtem Klavierstück
„Das Butterbrot“, anrührend die hingebungsvoll fromme Darstellung von Badarzewskas
„Gebet einer Jungfrau“. Seiner durchdachten Vorab-Analyse („Ein Gebet ist, wenn
man immer etwas wiederholt“) verhalf er mit seinem luziden Spiel zu stillem
Leuchten.
Zu erwähnen bleibt noch
Dudley Moores Colonel-Bogey-Marsch in einer bestechend beethovenesken Färbung,
der bemerkenswerterweise nicht im Dreiertakt stehenden Walzer von F. Loh, der
nur durch einen Lesefehler mit dem Spottnamen„Flohwalzer“ bedacht wurde – und
vor allem die parodistischen Zyklen über „Ach du lieber Augustin“ von Manfred
Gurlitt und last but not least über „Was machst du mit dem Knie, lieber Hans?“
von Karl Hermann Pillney.
Das war pianistisch
schwere Kost, mitzuerleben beispielsweise an des Solisten sorgenvoll
zerfurchtem Mienenspiel angesichts der herben Regerschen Chromatik. Hingerissen
klatschten die Zuhörer und bekamen zum Dank noch etwas Stille von Cage und „Die
Abendglocken“ von Georg V. von Hannover: ein wahrhaft königliches Bimbam.
Göttinger
Tageblatt,
Michael Schäfer
Göttingen
August 2015
Romantische Träumereien auf dem Taschenklavier
Wie ein Taschenklavier sieht er wahrlich nicht
aus. Der kleine Flügel in Gerrit Zitterbarts Sammlung historischer
Tasteninstrumente glänzt wie eine kostbare Antiquität. Aber sein Erbauer Robert
Wornum nannte ihn nun mal „pocket piano“.Vielleicht dachte er um 1845 auch an
die Atmosphäre von musikalischen Salons, in denen sich sein samtig wärmender
Klang wunderbar entfalten würde.
Für diesen Abend in seinem Clavier-Salon stimmt
Gerrit Zitterbart das Publikum auch gern auf ein romantisch anmutendes Tableau
ein, wenn er nun das Bild von englischen Landhäusern entwirft, in denen die
Lady ihre Gäste mit den romantischen Kompositionen unterhielt, die gerade
kursierten. Da darf auch eine charmante Anspielung auf den Titel des Abends „A
Ladies’ Diary“ nicht fehlen. Auch wenn es dabei um ein Markenzeichen für
modische Accessoires handelt, die die Damenwelt in dieser Zeit entzückten, für
Zitterbart passt Wornums „Pocket Piano“ einfach wunderbar in dieses Umfeld der
Ladies Diaries und natürlich auch in seine musikalische Reise durch das
romantische Zeitalter.
Es kommt dabei auch gleich zu Entdeckungen mit
drei musikalischen Skizzen von John Field, der dafür um 1812 den Begriff
„Nocturne“ erfunden hatte, den später Frédéric Chopin für viele seiner Kompositionen
übernahm. Auch die „Lieder ohne Worte“ von Felix Mendelssohn- Bartholdy haben
ihre romantische Vorgeschichte, die Zitterbart seinen Zuhörern mit einer
beschwingenden Momentaufnahme von Delphine von Schauroth entdeckt und dabei auf
ein nicht nur musikalisches Beziehungsgeflecht verweist. Dass Mendelssohn die
Pianistin und Komponistin sehnsüchtig umschwärmte, als er ihr sein Gondellied
widmete. Und dass seine Schwester Fanny Hensel diese Form der musikalischen
Widmung ebenfalls schätzte, die auf Wornums Taschenklavier ihren romantischen
Zauber entfaltet.
Auch bei Robert Schumann und seinen
musikalischen Präziosen für Klavier verweilt der Musiker auf seiner Klangreise
mit den Stimmen der Romantik. Wie geschaffen für die Novellen aus dem Album der
Jugend und aus Schumanns Kinderszenen klingt auch hier der Flügel, dessen warme
dunkle Erdung vor allem mit zarten melodischen Variationen harmoniert und
weniger mit dramatischen Motiven. Das hat Zitterbart auch bei den Werken von
Chopin bedacht, mit denen sich leicht ein pianistisches Feuerwerk entzünden
ließe. An seinem Wornum dürfen Préludes und Walzer auch als sentimentale
moments musicaux bewegen und eine melancholische Färbung annehmen. Wenn sie
sich nun in romantische Träumereien verwandeln, die sanft beschwingen und
bezaubern.
Göttinger Kuturkalender, Tina Fibiger
Göttingen Juli
2015
Programm aus dem Stegreif
Was tun, wenn die Solistin des Abends ausfällt?
Ganz einfach: Da springt der Veranstalter ein und spielt selbst. So geschehen
am Freitag, als Wettbewerbssiegerin Lisa Wellisch im ICE festsaß und ihr
Konzert im Claviersalon am Stumpfebiel absagen musste.
Gerrit Zitterbart, Pianist und Hausherr, hatte
erst vier Stunden vor Konzertbeginn von der Panne erfahren. Im Nu entwarf er
ein Ersatzprogramm aus seinem Repertoire und überließ dem Publikum die
Entscheidung, zu bleiben oder zu gehen. Fast alle blieben – und erlebten einen
spannenden Klavierabend mit Musik von Beethoven, Liszt und Schubert-
Spannend war der Abend nicht nur des souveränen
Pianisten wegen, der diese Werke virtuos, stilsicher und mit fein ausgefeiltem
Ausdruck gestaltete. Auch die ungewöhnlichen Klangfarben der von ihm
ausgewählten historischen Instrumente ließen immer wieder aufhorchen. So
spielte Zitterbart die Sonate e-Moll op. 90 von Ludwig van Beethoven an einem
Hammerflügel, der um 1820 gebaut worden ist, also zur Entstehungszeit der Sonate.
Dessen Klang ist ungleich schlanker als beim modernen Flügel – ohne dröhnende
Bässe, mit Tönen, die in vergleichsweise kurzer Zeit verstummen. Der Diskant
klingt wunderbar zart. Allerdings haben es Melodien in hoher Lage nicht eben
leicht, sich gegen eine bewegte Begleitfigur in der Mittellage durchzusetzen.
Da muss man manchmal eben ein wenig hinhören.
An einem Erard-Flügel von 1888 stellte
Zitterbart anschließend eine Auswahl von Klavierstücken Liszts vor mit
Schwerpunkt auf den skizzenhaften, harmonisch ausgesprochen kühnen Spätwerken
(„Nuages gris“,„Unstern“). Hier konnte sich die kultivierte Klanggewalt der
tiefen Lagen des Erard-Flügels prächtig entfalten – eine ganz andere Tonwelt
als die der Beethoven-Sonate.
Schuberts späte B-Dur-Sonate aus dem Jahr 1828
bildete das Finale, nun wieder am Hammerflügel von 1820. Dieses Instrument
verfügt über besonders differenzierte Möglichkeiten der Tondämpfung. Damit
demonstrierte Zitterbart beispielsweise im Kopfsatz die charakteristische
Bass-Trillerfigur, für die Schubert ein am modernen Instrument kaum mögliches
Pianissimo vorschreibt, sehr eindrucksvoll: ein ganz fernes Grollen,
geheimnisvoll, bedrohlich. Perfekt. Begeisterter Beifall.
Göttinger Tageblatt, Michael Schäfer
Göttingen
Januar 2014
Sich von Gerrit Zitterbart auf das neue Jahr
einstimmen zu lassen, ist immer eine ganz besondere Freude. Dies wissen auch
Freunde und Förderer seines Göttinger Clavier-Salon zu schätzen, die früher für
ein musikalisches Ständchen zum Jahresbeginn zum Goethe Institut pilgerten. Nun
genießen sie in Zitterbarts Sammlung von Tasteninstrumenten diesen wunderbar
intimen Klanggenuss, der auch bei den Werken von Franz Schubert und Felix
Mendelssohn Bartholdy immer wieder hellhörig macht für die historische Klangidee.
Eröffnet wurde das musikalische Jahr im
Stumpfebiel mit Schuberts vier Impromptus, für die Zitterbart sein Publikum
charmant zu trösten wusste. Weil sich das ideale Instrument dafür noch immer in
der Werkstatt befindet, erklingen die dramatischen Novellen auf dem Érard
Flügel, wo sich ihre unbändige Energie entfaltet. Schon in dem c-moll Impromptu
fühlt man sich an die tragischen Progressionen erinnert, die Gottfried Benn in
seinem lyrischen Chopin Portrait beschreibt. Zitterbart wählt ein besonnenes Tempo
für den pathethischen Auftakt, der so in eine Replique münden kann, die den
stürmischen Kaskaden zart aber bestimmt zu trotzen vermag. Auch in Schuberts
Es-Dur Impromptu setzt Zitterbart seine besonderen Akzente wie ein Bildhauer,
der sich einem unbearbeiteten Stein widmet und dabei nicht den rasanten Lauf
der musikalischen Figur betont und sich um so mehr den filigranen Strukturen
widmet, die die linke Hand mit ihren rhythmischen Akzenten vertieft. Das
vertraute Klangbild des Ges-Dur Andante erfährt ebenfalls diese bildhauerische
Annährung an das historische Klangbild, das sich auf einem zeitgenössischen
Flügel mitunter so glanzvoll virtuos verflüchtigt. Auf dem Érard lässt
Zitterbart auch jede melancholische Tönung in Schuberts Gedankenkosmos mitschwingen
und macht umso hellhöriger für die meditativen Schwingungen in seinem As-Dur
Allegretto, die losgelöst von den stürmisch aufrührerischen Bewegungen eine
existentielle Tiefe wahren. Dann beflügelt er mit Schuberts A-Dur Sonate und
den vielen fragmentarischen Skizzen, die der Komponist in dieser Sonate zu
bändigen suchte.
Nur selten taucht der kleine Wornum-Flügel in
den Konzertprogrammen des Clavier-Salons auf. In seinem wunderbar warmen Klang
erinnert er an edlen Samt, der sich wie eine kostbare Hülle über eine Melodie
legt und nun in Mendelssohns Liedern ohne Worte auch jeden Akkord in seiner
dunklen Anmut klingen lässt. Zitterbart verwandelt die Lieder und auch die
Fantasie über ein irisches Lied auf seinem Wornum in Aquarelle. Der wird zum
Wanderer in Mendelssohns musikalische Novellen und Skizzen von unterwegs. Man
stelle sich einen Panoramablick von Venedig vor und wie die Gondeln durch die
Kanäle gleiten und eine ferne Kirchturmglocke schlägt oder auch eine dieser
Momentaufnahmen Mendelssohns nach einem Besuch in Weimar. Man folgt den Spuren
des Komponisten in eine Landschaft, die wieder neu erlebbar wird, wenn
Zitterbart sie erkundet. Zum Finale gönnt der musikalische Bildhauer und
Gestalter von Klangnovellen seinem Publikum noch ein virtuos aufmunterndes
musikalisches Neujahrsgeschenk mit Mendelssohns berühmtem Rondo capriccioso und
beflügelt mit dem wunderbar temperamentvoll klingenden Érard für 2014.
Göttinger Kulturkalender, Tina Fibiger
Springe
Oktober 2013
Musik wird zum
körperlichen Ereignis
Es dauert einen Augenblick oder auch zwei, bis sich
die Ohren daran gewöhnt haben. Einmal empfangsbereit aber, können sie voll und
ganz – wenn auch anders – auf ihre Kosten kommen. Ein mitteilungsfreudiger
Musiker macht es zweifelsohne sehr viel leichter, sich von der Klangwelt eines
modernen Instruments zu lösen und einzutauchen etwa in die akustischen Sphären
eines Joseph Haydn oder Wolfgang Amadeus Mozart. Der Göttinger Pianist Gerrit
Zitterbart ist in dieser Hinsicht erste Wahl, denn er hat nicht nur eine Menge
über die Musik und ihre Schöpfer zu erzählen, er kann auch die Musik selbst auf
faszinierend Weise erzählen lassen. Auf Einladung des Kulturkreises Springe
entdeckte Zittterbart mit rund 100 Zuhören im gut besuchten Kaisersaal die
Klangwelten vergangener Zeiten. Dafür hatte er gleich ein entsprechendes
historisches Instrument mitgebracht, auf dem er – abgesehen von einigen
vergleichenden Hörproben – das gesamte Abendprogramm spielte. Was mangels
Hörerfahrung in Haydns „Variationen f-Moll“ zunächst vielleicht noch etwas
staubtrocken klang, entwickelte unter Zitterbarts filigran formenden Händen
bald ungeheuren Reiz. Schnell wurde deutlich, dass weniger Klangraum keineswegs
eingeschränkte Körperlichkeit bedeuten muss. Und in Mozarts „Fantasie c-Moll, KV
475“ sowie „Sonate c-Moll, KV 457“ war dann eindrucksvoll zu erleben, wie
elementar diese Musik klingen kann, wie farbig und differenziert. Zitterbart
entwickelte ein beeindruckendes Spektrum zwischen handfest und hölzern sowie
hingehauchter Poesie. Zudem demonstrierte er überzeugend, dass Ekstase keine
Frage dynamischer Wucht, sondern vielmehr auch materieller Kraft ist. Und
spätestens in Ludwig van Beethovens „Sonate d-Moll, Op. 31/2“ war klar, dass
eine ergreifende Dramaturgie auch mit deutlich weniger Tasten gelingen kann –
und vielleicht sogar überzeugender ohne flauschige Klangunterlage. Jedenfalls
ging Beethovens existenzielle „Sturm-Sonate“ ebenso unter die Haut wie die
berühmte „Pathétique“, die Gerrit Zitterbart zwischen Wucht und Anmut ansiedelte
und deren rastlose Motorik im Finale geradezu körperlich erlebbar wurde. Viel
Applaus für einen schillernden Klavierabend.
Hannoversche
Allgemeine Zeitung, Gert Deppe
Bielefeld
Januar 2013
Wertvolle Traditionen soll man pflegen. Oder auch wie
Gerrit Zitterbart mit seinen Neujahrkonzerten im Museum Huelsmann selbst eine
solche begründen.
Bereits zum fünften Mal gab sich der renommierte
Tastenkünstler hier zu Jahrebeginn am vielgerühmten historischen
Nannette-Streicher-Flügel die Ehre. Musikfreunde sichern inzwischen bereits im
Herbst einen der fünfzig Plätze, so dass für die Zukunft ein
Wiederholungskonzert angedacht ist.
Die Exklusivität des Angebots spricht für sich. Sind
doch weltweit wohl nur fünf Exemplare des „oberschlägigen“ Bautyps aus der Wiener
Nobelmanufaktur noch bespielbar, weshalb der Hannoveraner „Clavier“-Professor
diesen 1829 gebauten „Rolls- Royce unter den Hammerflügeln“ gern auch zu
CD-Aufnahmen nutzt. Mir seiner besonders ausgeprägten Sanglich- und
Register-Klangfarbigkeit ist das Instrument wie geschaffen, die oft
schmerzlich-schöne Zerrissenheit von Schuberts tönenden Seelenwelten direkt
hörbar zu machen. Und unter den wahrhaft berufenen Händen des Interpreten (und
wundervollen Wissensvermittlers) Gerrit Zitterbart wird jede seiner Bielefelder
Schubertiaden zu einem beglückenden Erlebnis.
Diese nun führte aus dem Bereich leicht
dahingeworfener Tanzmusik über die zyklisch-sonatennahe Zwischenform der „Vier
Impromptus“ op.90 zum Gipfelwerk und Schwanengesang der großen B-Dur-Sonate.
Die raffiniert verschachtelten „Sechs Deutschen Tänze“ D 820 erfüllte ein in
Gestik und Impulsen, Kontrasten und Übergängen kongeniales Musizieren.
Schuberts ganz am Klanglichen orientierte Konzeption der Impromptus ließ in
c-Moll eine bezwingende dramatische Entwicklung, im Ges-Dur-Liedsatz
silberhelle, dabei opak umspielte Verträumtheit hören.
Die B-Dur-Sonate ist in ihrer grenzenlos verströmenden
Sanglichkeit Inbegriff Schubertscher Klaviermusik. Aber wie gewaltig wirkt die
allein 20-minütige Kopfsatz-Großräumigkeit erst, wenn ihre Gefährdung durch
Trillerfiguren so scheppernd erdstoßgleich hinein klingt wie aus den Basstiefen
des Nannette-Streicher-Hammerflügels. Wie tief lotet und leuchtet der
Tastenmusiker Zitterbart darauf das feierlich-lichte cis-Moll-Andante aus. Und
wie schlüssig organisiert er im Finale den Fluss von entspannter Gelassenheit
und nicht mehr weiter wissenden Stockungen und Abbrüchen. Die Hörer dankten für
zwei Konzertstunden höchsten Schubert-Glücks.
Neue
Westfälische, Michael Beughold
Krefeld
Dezember 2012
Feinsinniger
Lehrmeister im Rittersaal
Heiterkeit mit einem Hauch von Melancholie: So klang
bei der Silvesterserenade im Rittersaal der Burg Linn das Jahr 2012 aus.
Pianist Gerrit Zitterbart bot mit Stücken von Franz Schubert und Frédéric
Chopin dem Publikum ein anspruchsvolles Programm.
Neben seiner internationalen Konzerttätigkeit leitet
Zitterbart seit vielen Jahren eine Klavierklasse an der Hochschule für Musik in
Hannover. Dementsprechend fällt seine Moderation an diesem Abend weniger
launig, sondern eher wie eine kleine Lehrstunde aus. In seinen Anmerkungen
stellt er nicht nur die Stücke kurz vor, sondern lässt auch eine geschickte
Dramaturgie bei ihrer Abfolge erkennen.
Zum Auftakt gibt es Sechs Deutsche Tänze, die Schubert
einst in der Sommerfrische auf dem Landgut des Grafen Esterházy schrieb. Weiche
Melodien mit wiederkehrenden Motiven, die im Wechsel mit betont rhythmischen
Passagen stehen, kennzeichnen diese Werke.
Von Stimmungsschwankungen ist Schuberts große Klaviersonate
in A-Dur geprägt, welche in epischer Breite die Zeit bis zur Pause füllt. Für
Zitterbart enthält sie Wehmut und Heiterkeit gleichermaßen. Er stellt sie in
enge Beziehung zu den zwei anderen letzten Klaviersonaten, die für ihn alle aus
einem musikalischen Gedanken geformt sind. „Schuberts Umwelt hat damals davon
überhaupt nichts mitbekommen“, ergänzt er mit Blick auf die Tatsache, dass
diese außergewöhnliche Musik erst nach dem frühen Tod des Komponisten bekannt
wurde. Neben seiner Präzision und dem technisch brillanten Spiel überzeugt
Zitterbart auch mit seinem großen Einfühlungsvermögen in den lyrischen
Passagen.
Was sich in der Schubert-Sonate so bereits andeutet,
wird bei Chopin nach der Pause glasklar spürbar. Zitterbart spricht vom „unverwechselbaren
Personalstil“ des Komponisten, dessen Lebenddaten sich mit Schuberts
überschneiden. Ein Nocturne in cis-moll, entstanden in Schuberts Todesjahr
1828, offenbart jedoch einen anderen Charakter. Hier wird eine zarte
Melancholie spürbar, die auch Chopins so populär gewordene Walzer kennzeichnet.
Die schwebende Eleganz der für die Pariser Salons entstandenen Stücke bringt
Zitterbart wunderbar zum Ausdruck.
Er beendet den Abend besinnlich mit Schubert. Als eine
„Intimität“ bezeichnet Zitterbart das kurze feinsinnige Stück, mit dem er das
begeisterte Publikum in die Silvesternacht entlässt.
Westdeutsche
Zeitung Krefeld, Michaela Plattenteich
Göttingen
Dezember 2012
Charmant und
witzig: Zitterbart und F. Loh
Man muss nicht immer den Sinn des Lebens suchen.
Bisweilen ist es viel unterhaltender, sich mit Unsinn zu befassen, besonders
dann, wenn es dabei um so unterhaltsame Musik handelt, wie sie Pianist Gerrit
Zitterbart am vorletzten Abend des Jahres im ausverkauften Claviersalon darbot.
Unsinn muss ja nicht Geistlosigkeit heißen. Im
Gegenteil: Die Variationszyklen über populäre Lieder im Stil verschiedener
Meister von Cornelius Gurlitt, Siegfried Ochs und Karl Hermann Pillney sind
witzige Lektionen in Musikgeschichte. Zitterbart präsentiert sie mit einer
nicht minder witzigen, charmanten Moderation, lädt lautstark Giuseppe Verdi und
Cecilia Bartoli zu Gast (die beide dann leider doch nicht kommen) und würzt den
launigen Abend mit einer Prise Bach-Gounod, Thekla Badarzewkas „Gebet einer
Jungfrau“ und einer exquisiten Interpretation des meisterhaften Walzers von F.
Loh, den nur Ignoranten einfach „Flohwalzer“ nennen. Die schönste Zugabe ist
eine fiktive Variation von John Cage über „Was machst du mit dem Knie, lieber
Hans“: 33 Sekunden ohne jeden Laut. So leise spielt kaum jemand. Wunderbar.
Göttinger
Tageblatt, Michael Schäfer
Celle September
2012
Musikalische
Botschaften aus erster Hand
Selten begegnet einem ein Interpret, der mit solcher
Souveränität und Ausdruckstiefe kompositorische Schwärmerei und Leidenschaft
mit lyrischen Ruhepunkten zu verbinden weiß, wie der Göttinger Pianist Gerrit
Zitterbart, Professor an der Musikhochschule Hannover, bei seinem Konzert am
Montag im Celler Beckmannsaal. Auf Einladung des Künstlervereins Celle trug er
Sonaten von Haydn (Variationen), Berg (op.1), Beethoven (op.109) und Schubert
(D 959) vor und erläuterte in seiner Anmoderation mit anekdotischem Geschick
die Entwicklung zwischen barocken Wurzeln und zeitgeistiger Tonsprache.
Gebannt verfolgte das Publikum, wie der 60-jährige zu
Beginn Haydns launenhaftes Werk mit dem resignierenden Schlussteil zelebrierte
und wie er danach bei Bergs nur einsätziger Sonate die Zuhörer nachempfinden
ließ, warum dessen Lehrer Schönberg einen zweiten Satz für entbehrlich hielt
und feststellte: „In diesem einen Satz ist alles gesagt.“ Zitterbart gestaltete
den melodisch-harmonischen Reichtum dieses Werkes zu einem spannenden
Musikerlebnis. In gleicher Weise vermochte er dem Publikum auch Beethovens
Botschaften „aus erster Hand“ zu vermitteln, nicht zuletzt deshalb, weil er
dabei nicht didaktisch vorging und „deutete“, sondern weil er die Musik einfach
dorthin strömen ließ, wohin sie nach dem Willen des Komponisten wollte. So
spielte er nicht nur, was in den Noten stand, sondern auch das, was Beethoven
neben und vor die Noten geschrieben hat. Dadurch entfaltete sich etwa der
letzte Satz als wirklich „molto cantabile ed espressivo“, als „gesangvoll, mit
innigster Empfindung“.
Mit derselben Kompromisslosigkeit gab Zitterbart der
gewollt extrovertierten Dramatik in Schuberts Partitur den Vorzug vor einem
ausbalancierten Vortrag und ließ der visionären Kraft dieses ausufernden Werkes
ihre einzigartige Melancholie, aber auch ihre ganze Wucht, mit jeder darin
rumorenden und wütenden Nuance. Die Sonate wurde so zu einem eindrucksvollen
Schauspiel, von der barocken Feierlichkeit im ersten Satz über die
rezitativischen Ausbrüche im Mittelteil bis zum im Pianissimo zerflatternden
Finale.
Cellesche
Zeitung, Rolf-Dieter Diehl
Tauberbischofsheim
April 2012
Klavierwerke der Wiener Klassik, so wie man sie
zumindest hier noch nie gehört hat, bildeten das Programm des jüngsten
Schlosskonzertes im wieder einmal gut besuchten Rathaussaal. Im Mittelpunkt des
Abends standen ein bestimmtes Instrument, auf dem die Großen jener Epoche von
Haydn über Mozart bis Beethoven einst in persona musiziert haben: der
Hammerflügel, der Vorläufer unseres heutigen vertrauten Pianoforte.
Zu den derzeit führenden Interpreten auf diesem
Instrument zählt der Pianist Gerrit Zitterbart, der sein Gastspiel im
Rathaussaal mit einer Art von kleiner musikalischer und musikgeschichtlicher
Lehr(viertel)stunde verband. Der 1952 geborene Pianist, Dozent und vielseitig
tätige Kammermusiker gehört mit seinem liebenswürdigen und sympathisch uneitlen
Auftreten zweifellos zu jenen Künstlerpersönlichkeiten, die auf großartige
Selbstinszenierung verzichten.
So leicht, schlank und fast zierlich sich der von
Gerrit Zitterbart gespielte Hammerflügel den Blicken präsentierte, so schlank
und zart, voll kammermusikalischer Intimität berührt sein Klang zwischen dem
Cembalo und dem modernen Klavier.
Werke von Carl Philipp Emanuel Bach, von Haydn, Mozart
und Beethoven bildeten das Programm, das auch dazu gedacht war, die parallele
Entwicklung zwischen den Fortschritten des Instrumentenbaus und der
Kompositionstechnik der führenden Musiker jener Epoche aufzuzeigen. Kurze,
charakteristische und dabei ausgesprochen unterhaltsame Stücke des Bach-Sohnes
bildeten den Einstieg zum eigentlichen Schwerpunkt des Konzerts, in dem die
ernste Tonart c-moll ein verbindendes Element darstellte, angefangen mit Haydns
c-moll Sonate von 1780 über Mozarts Wiener Sonate KV 457 bis zu Beethovens
wohlbekannter "Pathétique" in der gleichen Tonart. Mit
faszinierender, dabei unaufdringlicher Virtuosität und analytischer Brillanz
wurden vom Interpreten die persönlichen Handschriften dieser drei so unterschiedlichen
Genies der Wiener Klassik exemplarisch erläutert, wobei der spezielle Klang des
Hammerflügels, seine kammermusikalische Feinheit, dem nachvollziehenden
Hörerlebnis sehr zugute kam.
Eigenartiger noch war die Erfahrung, wie scheinbar
wohlvertraute Werke im anderen Klanggewand plötzlich neue Dimensionen
offenbaren: Haydns eigenwillige Sonate beispielsweise scheint noch ganz in der
Barockepoche zu wurzeln, und vom ersten Satz von Beethovens „Pathétique“ bleibt
in der Hammerflügel-Version nicht mehr viel Pathos übrig: Aus dem dynamisch
aufgeladenen Sturm und Drang-Gedonner, wie man es oft auf dem Pianoforte hört,
ist ein eher leises aber umso eindringlicheres, intimes und beredtes Bekenntnis
seines Schöpfers geworden.
Dass Beethoven wiederum auch ein hinreißender
Alleinunterhalter am Flügel sein konnte, demonstrierte Zitterbart in einer
fulminanten, regelrecht rockenden Version des Rondos von der "Wut über den
verlorenen Groschen" und in den launig-charmanten sechs Variationen aus
der Oper „La Molinara“ von Paisiello. Am schönsten offenbarten sich die
klanglichen Eigentümlichkeiten dieses Instruments wohl bei Mozarts - in seiner
Wiener Erfolgszeit entstandener - c-moll Sonate mit ihrem „opernähnlichen“
Gestus und Tonfall: Hier glaubte man in den führenden Stimmen zuweilen ganz
menschlichen Gesang zu vernehmen.
Für den Beifall im Rathausaal bedankte sich Gerrit
Zitterbart noch mit einer Petitesse von Beethoven.
Fränkische
Nachrichten, Thomas Hess
Göttingen
Februar 2010
Verträumte
Nachtstücke und Mazurken
Vor 200 Jahren, am 1. März 1810 oder vielleicht auch
einen oder zwei Tage früher, wurde Frédéric Chopin geboren. Seine Musik ist der
Inbegriff romantischer Klavierkunst. Gedenkkonzerte sind in diesen Tagen keine
Mangelware – doch der Pianist Gerrit Zitterbart hatte sich für sein Konzert am
Donnerstag im Göttinger Goethe-Institut einen etwas anderen Schwerpunkt
gewählt.
„Der Weg zu Chopin“ hieß der Abend, bei dem angesichts
des großen Publikumszuspruchs die Stühle im Saal kaum ausreichten. Auf dem
Programm standen neben Werken Chopins Klavierstücke seines Lehrers Józef
Elsner, des Iren John Field, der die Gattung des Nocturnes erfunden hat, sowie
Musik der Chopin-Altersgenossen Mendelssohn und Schumann.
Ausgesprochen spannend erwies sich die musikalische Sprache, die Elsner in seiner D-Dur-Sonate aus dem Jahr 1798 anschlägt. In der Tat finden sich ein paar Berührungspunkte mit der Musik seines späteren Schülers, kleine poetische Aufweichungen der klassischen Strenge, auch folkloristische Töne, wie sie etwa in Chopins Mazurken zu vernehmen sind.
Fields Nocturnes klingen unter Zitterbarts empfindsamem Zugriff sehr zart und nächtlich verträumt – den Zauber und die Tiefe der Chopinschen Nocturnes lassen sie allerdings weitgehend vermissen, was jedoch keine Schuld des Pianisten Zitterbart ist.
In seiner kenntnisreichen Moderation hatte Zitterbart zu Recht auf die sehr individuelle Musiksprache der Chopin-Altersgenossen hingewiesen. Das setzte er in Mendelssohns Fantasie über „The Last Rose of Summer“ und in Schumanns „Abegg“-Variationen pianistisch überzeugend um.
Ausgesprochen spannend erwies sich die musikalische Sprache, die Elsner in seiner D-Dur-Sonate aus dem Jahr 1798 anschlägt. In der Tat finden sich ein paar Berührungspunkte mit der Musik seines späteren Schülers, kleine poetische Aufweichungen der klassischen Strenge, auch folkloristische Töne, wie sie etwa in Chopins Mazurken zu vernehmen sind.
Fields Nocturnes klingen unter Zitterbarts empfindsamem Zugriff sehr zart und nächtlich verträumt – den Zauber und die Tiefe der Chopinschen Nocturnes lassen sie allerdings weitgehend vermissen, was jedoch keine Schuld des Pianisten Zitterbart ist.
In seiner kenntnisreichen Moderation hatte Zitterbart zu Recht auf die sehr individuelle Musiksprache der Chopin-Altersgenossen hingewiesen. Das setzte er in Mendelssohns Fantasie über „The Last Rose of Summer“ und in Schumanns „Abegg“-Variationen pianistisch überzeugend um.
Chopin selbst ließ Zitterbart in drei Werken zu Wort
kommen: der bezaubernden Polonaise des Siebenjährigen, dem klangzaubernden
cis-Moll- Nocturne des 19 Jährigen und schließlich der großen h-Moll-Sonate aus
dem Jahr 1844. Die virtuose Kunst des Pianisten sorgte für uneingeschränkten
Hörgenuss. Und als Zugabe für den begeisterten Beifall gab es noch ein Nocturne
extra.
Göttinger
Tageblatt, Michael Schäfer
Heiningen,
August 2009
Zum 200. Todesjahr Josef Haydns hatte die
Kulturinitiative Tonart den Göttinger Hammerflügelspezialisten Gerrit
Zitterbart in Kooperation mit dem Internationalen Musikfest Goslar-Harz ins
Klostergut Heiningen eingeladen.
Alles passte bei Gerrit Zitterbarts Auftritt vor einem
vollen Haus trotz zahlreicher Konkurrenzveranstaltungen: Der Biedermeiersaal
lieferte die perfekte Akustik für die warm einschmeichelnden bis brillant
feurigen Klänge seines bestens intonierenden Hammerflügels – eines schon allein
optischen Schmuckstückes, das aber auch klanglich keine Wünsche offen ließ.
Darüber hinaus präsentierte sich der Göttinger Pianist mit einem eindrucksvollen Gesamtkonzept, demonstrierte gleich eingangs das Innenleben seines Instruments, indem er vor den Augen seines Publikums die filigranen Tasten der Wiener Mechanik ausbaute, erläuterte Besonderheiten und Geschichte des Instruments und führte dann auf unterhaltsame und lehrreiche Art durch die Programmfolge.
Darüber hinaus präsentierte sich der Göttinger Pianist mit einem eindrucksvollen Gesamtkonzept, demonstrierte gleich eingangs das Innenleben seines Instruments, indem er vor den Augen seines Publikums die filigranen Tasten der Wiener Mechanik ausbaute, erläuterte Besonderheiten und Geschichte des Instruments und führte dann auf unterhaltsame und lehrreiche Art durch die Programmfolge.
So suggerierte er den alternden Haydn, der sich Abend
für Abend seine Lieblingskomposition, die Variationen über "Gott
erhalte", Vorform unserer Nationalhymne, vorspielte und ließ sein Publikum
daran teilhaben. Solche Spätwerke kontrastierte Zitterbart immer wieder mit
frühen Kompositionen wie der markanten Sonate in e-Moll von 1786, die er dann
nach einem Hinweis auf ihre dramaturgischen Momente gekonnt vor seinen Hörern
ausbreitete.
Im Aufführungsstil der damaligen Zeit ergriff er Gelegenheiten zu schwungvoll improvisierten Auszierungen, wie sie Haydn seinen virtuosen Interpreten gestattet. Im geschickten Umgang mit Tempi, Pausen und dem per Kniehebel bedienten Moderatorfilz ließ er die kompositorischen Strukturen lebendig hervortreten und erwies sich dabei als Meister überzeugender Gestaltung.
Im Aufführungsstil der damaligen Zeit ergriff er Gelegenheiten zu schwungvoll improvisierten Auszierungen, wie sie Haydn seinen virtuosen Interpreten gestattet. Im geschickten Umgang mit Tempi, Pausen und dem per Kniehebel bedienten Moderatorfilz ließ er die kompositorischen Strukturen lebendig hervortreten und erwies sich dabei als Meister überzeugender Gestaltung.
Auch die häufig gespielten Variation in f-Moll
erklangen in neuem Licht: leichte Arpeggien, glasklare Figurationen, markante,
geradezu symphonische Bässe und eindringliche Gesanglichkeit führten zum
spannenden Gesamteindruck.
Das letzte Werk vor der Zugabe charakterisierte
Zitterbart mit einem Zitat Mozarts an seinen Vater, hier übertragen auf Haydns
Sonate c-Moll. Dies ist ein frühes Cembalowerk von 1771, das erst 1780 im
Erstdruck die dynamischen Bezeichnungen für den Hammerflügel erhielt: die Musik
solle nicht zu schwer, aber auch nicht zu leicht ausfallen. Damit beschloss der
Pianist sein Konzert spielfreudig und mitreißend.
Braunschweiger
Zeitung
Bielefeld,
Januar 2009
Beglückend, dass es so etwas Kostbar Intimes im
heutigen Musikbetrieb noch gibt. Ein kleiner Kreis von im Museum Huelsmann
versammelten Kennern wusste um die Gunst der (Konzert-) Stunde, den namhaften
Tastenmusiker Gerrit Zitterbart am hauseigenen raren Prunkstück, dem
historischen Nannette Streicher-Flügel, erleben zu können.
Schon zweimal drei Gesprächskonzerte (mit Schubert und
Mozart) hat der Gründer-Pianist des Abegg Trios und Hannoveraner
Klavierprofessor in den letzten Jahren hier gegeben. Wieder hatte es ihm die
einmalige Gelegenheit angetan, auf diesem 1829 in Wien gebauten „oberschlägigen“
Instrument mit seiner ganz besonderen, glockig farbigen Klangfülle Schubert zu
spielen.
Dessen Kunst, aus motivischen Mikroorganismen in oft
tänzerisch unterfütterter, Raum greifender Sanglichkeit eine ganze Welt
ambivalenter Stimmungen und zerrissener Seelenzustände zu bauen, wurde in der
Programmfolge steigernd beleuchtet. Zwei frühe Scherzi und eine Handvoll Tänze
(Deutsche, Schottische, Walzer, Galopp) standen wie Petrischalen Schubertscher
Inspiration am Konzertbeginn. Minutenstücke zum Hausgebrauch, die sich unter
den Händen des Interpreten zu vitalen, klangfarbigen Kleinoden verwandelten und
auswuchsen.
In den sechs „Moments musicaux“ erscheint diese
rhythmische Erfindungs- und Impulskraft zu einem halbstündigen Zyklus
auskristallisiert und stimmungstief verdichtet. Faszinierend, wie Gerrit
Zitterbart die eher tempoverhaltenen Charaktere zwischen karger cis-Moll
Einkehr und heftiger f Moll Akkordlust ausreizt und in einen nicht auslassenden
musikalischen Spannungsbogen einordnet.
Die 40 minütige B-Dur Sonate, letzte im gleichzeitig
entstandenen Dreierpack aus Schuberts Todesjahr 1828, erklang als
kompositorisch geschlossenste, vollkommenste im so ganz eigenen Ton des
melancholischen Genies. Lässt sich die grenzenlose, „molto moderato“ auf der Stelle
tretende feierlich-wehe Sanglichkeit und ihre Gefährdung durch Klangabgründe,
Pausen Abrisse, Umbrüche, harmonische Entrückungen intensiver nacherleben als
hier?
Meisterlich durchdringt Zitterbart die Gesangsstimmung und Verstörungen des Viersätzers und setzt sie mit Hilfe des Nannette Streicher Flügels ereignishaft in Klang. Die nuancen- und klangreiche Präsenz in den vier mittleren Oktaven kann süchtig machen, und ähnliche Grenzgänge in der tiefsten Basslage (schier seismische Triller, pochende Repetitionen, „herausgeschleuderte“ Einzeltöne) schafft so kein moderner Konzertflügel. In klangdramatischer Hinsicht ist man danach für andere Wiedergaben verdorben; glücklicherweise gibt's die Dreier Konstellation auf CD.
Meisterlich durchdringt Zitterbart die Gesangsstimmung und Verstörungen des Viersätzers und setzt sie mit Hilfe des Nannette Streicher Flügels ereignishaft in Klang. Die nuancen- und klangreiche Präsenz in den vier mittleren Oktaven kann süchtig machen, und ähnliche Grenzgänge in der tiefsten Basslage (schier seismische Triller, pochende Repetitionen, „herausgeschleuderte“ Einzeltöne) schafft so kein moderner Konzertflügel. In klangdramatischer Hinsicht ist man danach für andere Wiedergaben verdorben; glücklicherweise gibt's die Dreier Konstellation auf CD.
Eine innig erfüllte Andante-Zugabe geleitete die Hörer
auf den winterlichen Heimweg.
Neue Westfälische, Michael Beughold
Neue Westfälische, Michael Beughold
Göttingen
Januar 2009
Kompositionen von Franz Schubert hatte der Pianist
Gerrit Zitterbart für sein Neujahrskonzert im Göttinger Goethe-Institut
vorbereitet. Das Haus in der Merkelstraße war bei diesem Ereignis
außerordentlich gut besucht. Recht passend zum Neujahrstag, an dem man einzelne
Ereignisse und Aufgaben der kommenden Zeit schon sieht, noch nicht aber, wie
sich diese zu einem Ganzen fügen, präsentierte Gerrit Zitterbart am ersten Tag
des neuen Jahres Franz Schubert. Der von ihm gewählte Ausschnitt zeigte den
Komponisten auf dem Weg von musikalischen Details, die kleinere musikalische
Gattungen bestimmen, zur Großform der Sonate, die jene Einzelheiten freilich
nicht verwirft, sondern aufhebt. In zwei frühen Scherzi klang bereits
schubertsche Schwermut paradox im Spiel auch der hellen Klangfarben an, von
Zitterbart mit einfachen Mitteln wie einem eben noch zu spürenden Rubato
unterstrichen. Durch sieben Tänzen verwandelten Schubert und Zitterbart das
Publikum in eine heitere Abendgesellschaft, wobei der innige Walzer D 844 schon
fast als langsamer Mittelsatz einer Sonate durchgehen könnte, ein Eindruck, den
Zitterbart mit dem ausgelassen gespielten „Grazer Galopp“ rasch wieder
verwischte. Denn diese Etappe sollten die dann folgenden „Moments Musicaux“
zeigen, auf deren „Mantra“ Zitterbart hinwies: eine Stimmung, in die sich
Musiker und Hörer versenken. Litt das fragende C-Dur-Moderato noch ein wenig am
gleichbleibenden mezzo forte, gewann das Allegro moderato der „Air Russe“ mit
einer Andeutung von vorwärtsdrängendem Ungestüm an Esprit. Berührend das
Schlussstück, von Zitterbart mit maßvollem Pedaleinsatz in der Balance von
Hymnus und Hoffnungslosigkeit gehalten. In der letzten, in Schuberts Todesjahr
1828 komponierten Sonate B-Dur D 960 kulminierten kompositorisches Geschick und
reife Darbietung. Im Kopfsatz zeigte sich Zitterbarts Achtsamkeit für
musikalische Einzelheiten – was auch Schuberts bisweilen rätselhafte Pausen
betrifft –, der langsame Satz schwebte durch unendlich zartes Spiel, gleichsam
eine gefällige Atempause verschaffte das Scherzo, bevor der Schlusssatz mit
Beethovenscher Wucht daherkam. Dieses Finale gestaltete Zitterbart so packend,
als wolle er vollends widerlegen, Schubert habe hier Todesahnung hören lassen
wollen: Was so geistreich und kraftvoll ist, kann nur dem Leben zugewandt sein.
Die Gäste im zum Bersten vollen Goethe-Institut saßen im Parterre am Kamin,
oben im Treppenhaus, man saß und stand auf der Treppe; gemeinsam indes war am
Ende allen die Erfahrung: ein so mit Schubert begonnenes Jahr hat glücklich
angefangen. Dem begeisterten Applaus konnte nur mit zwei Zugaben abgeholfen
werden.
Göttinger
Tageblatt, Karl-Friedrich Ulrichs
Göttingen,
Dezember 2007
Von
Zärtlichkeit und Leidenschaft
Unterhaltsame Information und musikalischen Genuss
verbinden Gerrit Zitterbarts Klavierabende im Göttinger Goethe-Institut. Kein
Stuhl blieb frei, als er dort am Donnerstag Beethovens „Appassionata“ auf
modernem Konzert- und historischem Hammerflügel präsentierte.
Neben dem historischen Hammerflügel aus braunem Kirschholz
– Nachbau eines Instruments aus der Zeit um 1800 – nimmt sich der moderne
schwarze Konzertflügel wie ein Sargmonster aus. Der geöffnete Deckel wirkt wie
ein aufgerissenes riesiges Maul, als wolle das Instrument die Zuhörer im
nächsten Moment verschlingen.
Doch der Eindruck täuscht. Wenn Pianist Gerrit
Zitterbart Beethovens zärtlich-verspielte Variationen über Paisiellos Arie „Nel
cor più non mi sento“ auf diesem Ungetüm vorstellt, wird der Flügel friedlich
und freundlich, gibt sanfte, singende Töne von sich.
Das ist freilich nur im Ansatz so darstellbar: Beim Wechsel auf den Hammerflügel wird der Klang mit einem Mal ganz durchsichtig, Melodien in tiefen Lagen brummeln nicht in mulmigem Klang, sondern können sich frei gegen den Rest der Töne entfalten.
Das ist freilich nur im Ansatz so darstellbar: Beim Wechsel auf den Hammerflügel wird der Klang mit einem Mal ganz durchsichtig, Melodien in tiefen Lagen brummeln nicht in mulmigem Klang, sondern können sich frei gegen den Rest der Töne entfalten.
Nach dieser leichten Vorspeise präsentiert Zitterbart
die leidenschaftliche Sonate f-Moll op. 57, die „Appassionata“. Und siehe da,
auch hier sind Kraft und Zartheit auf ganz neue Weise gepaart, aus dem
gleichsam orchestralen Klang des heutigen Flügels wird eine aufregende
Kammermusik, der man es anmerkt, dass sie an ihre ästhetischen Grenzen
vorstoßen will. Ein fesselnder Abend, von Zitterbarts klug-gewitzten
analytischen Anmerkungen begleitet. Zum Schluss besänftigte der Solist sein
begeistertes Publikum mit dem langsamen Satz aus der „Pathétique“ – ein süßes
musikalisches Betthupferl.
Göttinger
Tageblatt, Michael Schäfer
Bayreuth, Juli
2007
Schuberts
Gedanken, erfasst mit Händen
Gerrit Zitterbart begeisterte mit einem der
bewegendsten Werke der Klavierliteratur bei Steingräbers Festival Bei einem
niederländischen Musikantiquar kam man ihn für schlappe 135 Euro erwerben: den
Notendruck „Sonaten für das Pianoforte allein. Allerletzte Compositionen. 3.
Sonate (in B)“. Dies ist nicht die Erstausgabe, sondern immerhin ein bereits in
den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts erfolgtes Reprint, beim Wiener
Musikverleger Spina gedruckt mit den Platten jener Erstausgabe, die etwa zehn
Jahre nach dem Tod des Komponisten bei Diabelli erschienen war.
135 Euro für eine wahrlich weit verbreitete Sonate,
das klingt teuer – aber in Wirklichkeit ist die dritte Sonate der „allerletzten
Compositionen“ unbezahlbar. Die B-Dur-Sonate D 960 ist ein singuläres, stets
von neuem ergreifendes, bewegendes, erschütterndes Werk der Klavierliteratur
geblieben. Dies versteht sich nicht von selbst, denn über die Musik entscheidet
die Interpretation, nicht der wie und wo auch immer gedruckte Notentext.
Es ist ein Glück, dass Gerrit Zitterbart in einem Gesprächskonzert – dem ersten der Schubert-Trilogie, die bei Steingraebers fünftem Bayreuther Klavierfestival im neuen Kammermusiksaal stattfindet – die drei späten, zyklisch konzipierten Sonaten in drei Gesprächskonzerten verbal und pianistisch deutet. Nebenbei stiftet er die Verbindung zum Festivalkonzert des vergangenen Wochenendes, in dem sich C.W. Müller in einem gleichermaßen bannenden Programm den Zyklus der letzten vier Opusnummern vornahm, den Brahms für das Klavier geschrieben hat.
Es ist ein Glück, dass Gerrit Zitterbart in einem Gesprächskonzert – dem ersten der Schubert-Trilogie, die bei Steingraebers fünftem Bayreuther Klavierfestival im neuen Kammermusiksaal stattfindet – die drei späten, zyklisch konzipierten Sonaten in drei Gesprächskonzerten verbal und pianistisch deutet. Nebenbei stiftet er die Verbindung zum Festivalkonzert des vergangenen Wochenendes, in dem sich C.W. Müller in einem gleichermaßen bannenden Programm den Zyklus der letzten vier Opusnummern vornahm, den Brahms für das Klavier geschrieben hat.
Eigentümliche Ähnlichkeiten fallen auf, weil Zitterbart
sehr schön erläutert, dass, wie Adorno über Schuberts späte Stücke gesagt hat,
„das Ganze aus dem Zusammenhang miniaturhafter Elemente aufsteigt“.
Dass alles Geniale einfach sei, wissen wir von Richard
Strauss; der Hannoveraner Professor demonstriert es, indem er auf den das B
umkreisenden Terz-Quart-Raum verweist, mit dem das Thema des Kopfsatzes der
Sonate beginnt. Er verweist auf die Zeit, die in dieser fast obsessiven
Raum-Beschreibung als Element zum Klingen gebracht wird. Er weist auf die Pausen,
Lücken und fragenden Gesten hin, die immer wieder das scheinbar locker
vagierende Gebilde mit Irritationsmomenten, Spannungsstauungen und schließlich
mit tonartenmäßig wie innerlich erfahrbaren, erhebenden Glücksaussichten
strukturieren. Zitterbart zeigt uns, dass alle – kaum Thema, eher Gedanken zu
nennenden – Themen der Sonate nur die Variation des Beginns sind, und dass die
verschiedenen Harmonien zugleich neue Farbtöpfe öffnen.
Der Dozent markiert den Schreitrhythmus des Trauermarschs, der unterirdisch zu oft erklingt, als dass es ein Zufall wäre, er spielt das Klopf-Zitat aus Beethovens Fünfter, das wir, derart geschult, später selbstständig im zweiten Satz wiedererkennen, und entdeckt für uns die verschobenen Rhythmen, die zwischen Dur- und Moll beständig changierenden Verläufe. Er spielt uns, Schuberts Orchestrierungskunst andeutend, die Geige, das Cello, die Bratsche vor, er macht uns darauf aufmerksam, dass eine bestimmte, bewegende Stelle des langsamen Satzes klingt, als sänge da ein Männergesangverein der Schubert-Zeit (natürlich nichts anderes als das einfache, doch unvergleichlich verwandelte Primitiv-Gebilde im Vier-Ton-Raum), und er zeigt, dass die schönste Musik auf einer simplen Tonleiter basieren kann.
Die Erläuterungen des Professors aber taugten nichts, bewiese er nicht spielend die Relevanz seiner Analyse. Was im zweiten Teil passiert, ist, im Sinn des Wortes, phänomenal, weil die Theorie bruchlos umgesetzt wird. „Sparsame Gestik, viel Ausdruck“ – so charakterisiert der Dozent Schuberts Musik, und so wird sie vom Musiker realisiert. Zitterbart zaubert aus dem großdimensionierten Steingraeber-Flügel eine kammermusikalische, fast klassizistische Stimmenklarheit heraus. Die stets durchschimmernde Konstruktion dient nur dem einen: dem freien Fluss der Musik.
Der Dozent markiert den Schreitrhythmus des Trauermarschs, der unterirdisch zu oft erklingt, als dass es ein Zufall wäre, er spielt das Klopf-Zitat aus Beethovens Fünfter, das wir, derart geschult, später selbstständig im zweiten Satz wiedererkennen, und entdeckt für uns die verschobenen Rhythmen, die zwischen Dur- und Moll beständig changierenden Verläufe. Er spielt uns, Schuberts Orchestrierungskunst andeutend, die Geige, das Cello, die Bratsche vor, er macht uns darauf aufmerksam, dass eine bestimmte, bewegende Stelle des langsamen Satzes klingt, als sänge da ein Männergesangverein der Schubert-Zeit (natürlich nichts anderes als das einfache, doch unvergleichlich verwandelte Primitiv-Gebilde im Vier-Ton-Raum), und er zeigt, dass die schönste Musik auf einer simplen Tonleiter basieren kann.
Die Erläuterungen des Professors aber taugten nichts, bewiese er nicht spielend die Relevanz seiner Analyse. Was im zweiten Teil passiert, ist, im Sinn des Wortes, phänomenal, weil die Theorie bruchlos umgesetzt wird. „Sparsame Gestik, viel Ausdruck“ – so charakterisiert der Dozent Schuberts Musik, und so wird sie vom Musiker realisiert. Zitterbart zaubert aus dem großdimensionierten Steingraeber-Flügel eine kammermusikalische, fast klassizistische Stimmenklarheit heraus. Die stets durchschimmernde Konstruktion dient nur dem einen: dem freien Fluss der Musik.
Der Gefahr allzu großer Reflexionsauslösungen begegnet
er mit einer Übersicht, einem unheimlich richtigen Tempo, einer dramatischen,
dicht am Notentext orientierten Interpretation, der die Effekthascherei völlig
fremd ist. Er stellt die Sonate mit all ihren Geheimnissen, ihren rätselhaften
Stellen und elysischen Schönheiten als ein wundersames Gebilde vor, das einer
Goldschmiedearbeit ähnelt – und er verwandelt, um nur ein Beispiel zu nennen,
die Theorie in die Praxis, wenn er den verbal beschriebenen Terz-Quart-Raum im
Spiel zu einem Raum vergrößert, in dem es vier Dimensionen gibt, deren letzte
naturgemäß nicht mehr beschreibbar ist: wenn er im Allegretto mit einer fast
schumannschen Samttönung eine Fernmusik herausspielt oder einen
beethovenianischen Ausbruch verwirklicht, sind wir Zeugen eines wunderbaren
Raum-Spiels.
Nicht allein das tieftraurige Andante gerät, selbst in
größter Ruhe, sehr spannend. „Schubert hat kein Thema, sondern Gedanken.“
Zitterbart hat Gedanken, die er in einer zwingenden Interpretation „con
delicatezza“ vermittelt, ohne sich in „schönen Stellen“ zu verlieren. Selbst im
Fall des „Einspielstücks“ und der Zugabe trifft er den richtigen Ton. Mit den
„Sechs Deutschen Tänzen“ D 820 und einem der „Letzten Walzer“ D 146 kredenzt er
uns am Beginn wie am Schluss einige Tänze, die mehr sind als Konstruktionen aus
Rhythmus, Harmonie, Bewegung und Melodie: Schubertsche Gedanken, erfasst unter
den Händen eines Pianisten, der weiß, dass gerade die verschattete Kunst ihr Eigenleben
erst dann gewinnt, wenn zwischen Konstruktion und Emotion keine Seite eines
Notendrucks mehr passt.
Nordbayerischer
Kurier, Frank Piontek
Bielefeld Mai
2007
Auf Mozarts
Hammerflügel
Eine Gesprächskonzert-Trilogie mit dem renommierten
Tastenmusiker Gerrit Zitterbart bot im Museum Huelsmann einen Überblick über
das Klavierschaffen Wolfgang Amadé Mozarts. Das ist der wahre Luxus und
Hörgewinn für Kenner: Musik auf einem Instrument exakt aus Zeit und Umfeld
eines Komponisten zu erleben; zumal wenn es dabei solche bautechnische Vielfalt
und rasante Wandlungen gibt wie auf dem weiten Gebiet der Claviere zwischen
Spätbarock und Frühromantik.
Interpretierte der Gast hier im Vorjahr Schuberts drei
letzte Sonaten auf dem vielgelobten hauseigenen Nanette-Streicher-Flügel von
1829, hatte er nun - sein dem Originalklangmusizieren verpflichteter Verein
„Clavier e. V.“ ist gut bestückt - einen Hammerflügel nach Anton Walter (Wien,
1795) dabei, wie ihn Mozart ab 1782 besaß. Die Klangunterschiede zwischen
beiden sind hörbar enorm, weitere Erläuterungen zu Bauart und Werkschaffen aufs
einnehmendste sinnfällig. Authentischer, lebendiger und meisterlicher als durch
den Hannoveraner Klavierdozenten und Gründer-Pianisten des bedeutenden Abegg
Trios lässt sich der Mozartsche Klavier- und Ausdruckskosmos kaum darstellen.
Nehmen wir pars pro toto den ersten, ausgewählte
Sonaten mit Klavierstücken (die Gattungen Variation und Fantasie folgten)
kombinierenden Abend. Entwaffnend im Vortrag ein Dutzend Sätzchen des 5- bis
8-Jährigen: wunderkindliche Spielfreude im Aufbruch vom ersten ungefügen
C-Dur-Austesten (KV la) bis zum Johann Christian Bach „abgehörten“
g-Moll-Affetto (KV 15p) im Londoner Skizzenbuch.
Drei Solitäre aus den späten Wiener Jahren offenbarten
kongeniale Meisterschaft. Ob er das hell-muntere D-Dur-Rondo-Thema KV 485
unermüdlich und unerschöpflich durchvariiert, im hoch persönlichen
a-Moll-Gegenstück KV 511 dem Geheimnis mozärtlicher Ambivalenzen nachspürt oder
das ergreifende h-Moll-Adagio KV 540 mit abgründiger Trauermarsch-Haltung
erfüllt - Zitterbarts Mozartspiel verbindet ausgereizte Kontraste und
ausgefeilte Klangrede zu komplexer Welterfahrung.
Über die Station in der von heiter-gelöst bis überbordend
vital angegangenen G-Dur-Sonate KV 283 zur großen c-Moll-Sonate KV 457: Deren
aufbäumende Dramatik und Ausdruckspathos lebt und lotet Gerrit Zitterbart, die
Spannweite der Klaviatur und Klangfarbenpalette dieses Hammerflügels mit
überwältigender Prägnanz nutzend, ereignishaft aus. Allein die drei so
extremlagigen Satzschlüsse waren atemberaubend gesetzt. Ganz große Tastenkunst
für eine kleine Hörerschar.
Neue
Westfälische, Michael Beughold
Hannover Mai
2007
Hintersinnig -
Musikalische Parodien im Kanapee
Hannover ohne das Kanapee? Die Musikszene wäre ein
Stück ärmer. Die großen Meister der Musik immer nur bierernst? Schrecklich.
Abhilfe bot am Pfingstmontag Erwin Schütterle in seiner „Wein- und
Konzertsstube“: Gerrit Zitterbart, Pianist und Professor der Musikhochschule,
präsentierte sich als Humorist am Klavier und als Moderator mit Witz und
Hintersinn. Dabei saßen die Pointen und Wortspielereien ebenso wie manche
musikalischen Tücken, denn nicht nur Liszt wurde mit List eingefärbt und durch
den musikalischen Fleischwolf gedreht, auch Bach, Bartók, Verdi und Wagner,
Schubert und Schönberg standen Pate oder halfen auf die Sprünge.
Und die Verantwortlichen? Das waren Siegried Ochs, der
um die vorletzte Jahrhundertwende das Lied „Kommt ein Vogel geflogen“
filetierte und im Stile „alter“ und „neuer“ Tonmeister parodierte. Mittlerweile
sind K. H. Pillneys „Variationen“ über „Was tust Du mit dem Knie, lieber Hans“
ebenso Legende wie Joachim Volkmanns „pianistische Maulwurfsarbeit“
(Zitterbart) über „Ein Männlein steht im Walde“ und nicht zuletzt Hans
Priegnitz’ zwerchfellerschütternde Fassungen von „Lili Marleen“. Da wurde
„Unter der Laterne“ mithilfe von Mozarts „Türkischem Marsch“ ebenso geküsst wie
zu Beethovens „Pathétique“. Doch die ultimative Edelschnulze bot erst die
Beimischung einer Prise aus Brahms’ „Guten Abend, gut’ Nacht“. Hatte da noch
jemand trockene Augen?
Hannoversche
Allgemeine Zeitung, Günter Helms
Göttingen
Januar 2007
Freuden des
Entdeckers
Der erste Schnee in Göttingen – beste
Rahmenbedingungen also für einen Klavierabend am Kamin im Goethe-Institut. Zwar
blieb das buchstäbliche Feuer (leider) aus, für knisternde Spannung sorgte
dennoch Gerrit Zitterbart auf einem Hammerflügel (Kopie nach Anton Walter
1795).
Der Göttinger Pianist wischte dabei das staubige
Vorurteil beiseite, das 18. Jahrhundert halte nur Sonaten-Trockenfutter bereit,
in dem sich allemal noch Motten wohl fühlen. Zitterbart versteht es, sein
Insider-Wissen in leicht verdaulichen Häppchen zu vermitteln ohne dabei zu
dozieren.
Entsprechend ist das Hörbild. Sein Spiel klingt nicht so, als zerrte die gesamte Wissenslast der Musikgeschichte an den armen dünnen Notenhälsen. Leicht und duftig kommt Christian Bachs D-Dur op. 5/2 Sonate daher. Eine Göttinger Erstaufführung erlebte darauf die originelle Sonate D-Dur des Bruders Johann Christoph Friedrich Bach, dessen Werk immer noch zu großen Teilen in den Archiven schlummert und der Entdeckung harrt. Mit Hinweisen auf instrumentenbauliche Details erhellte Zitterbart die spezifische Schreibweise des Mozart-Zeitgenossen Muzio Clementi, den viele wohl nur als Verfasser harmloser Etüden kennen. Doch sei die g-Moll Sonate op. 7/3 beileibe „kein Kinderkram, sondern ernsthafte, große Musik“. Tatsächlich ist hier schon eine Vorahnung der Romantik auszumachen – stellenweise müsste man wegen der dunklen Bässe wohl eher von einem Vorbeben sprechen. In zukünftige Ausdrucksregionen wiesen auch Haydns düstere f-Moll-Variationen von 1794. Zitterbart hob vor allem die experimentelle Seite des Werkes hervor. Den inspirierten Tastenvirtuosen konnte er schließlich mit Johann Nepomuk Hummels Sonate f-Moll op. 20 herauskehren, die mit einem fast orchestral anmutenden, rauschenden Final-Presto auftrumpft. Viel Applaus aus voll besetzten Reihen, für den sich Zitterbart mit C. P. E. Bachs Solfeggietto in weltrekordverdächtigem Tempo bedankte.
Entsprechend ist das Hörbild. Sein Spiel klingt nicht so, als zerrte die gesamte Wissenslast der Musikgeschichte an den armen dünnen Notenhälsen. Leicht und duftig kommt Christian Bachs D-Dur op. 5/2 Sonate daher. Eine Göttinger Erstaufführung erlebte darauf die originelle Sonate D-Dur des Bruders Johann Christoph Friedrich Bach, dessen Werk immer noch zu großen Teilen in den Archiven schlummert und der Entdeckung harrt. Mit Hinweisen auf instrumentenbauliche Details erhellte Zitterbart die spezifische Schreibweise des Mozart-Zeitgenossen Muzio Clementi, den viele wohl nur als Verfasser harmloser Etüden kennen. Doch sei die g-Moll Sonate op. 7/3 beileibe „kein Kinderkram, sondern ernsthafte, große Musik“. Tatsächlich ist hier schon eine Vorahnung der Romantik auszumachen – stellenweise müsste man wegen der dunklen Bässe wohl eher von einem Vorbeben sprechen. In zukünftige Ausdrucksregionen wiesen auch Haydns düstere f-Moll-Variationen von 1794. Zitterbart hob vor allem die experimentelle Seite des Werkes hervor. Den inspirierten Tastenvirtuosen konnte er schließlich mit Johann Nepomuk Hummels Sonate f-Moll op. 20 herauskehren, die mit einem fast orchestral anmutenden, rauschenden Final-Presto auftrumpft. Viel Applaus aus voll besetzten Reihen, für den sich Zitterbart mit C. P. E. Bachs Solfeggietto in weltrekordverdächtigem Tempo bedankte.
Göttinger
Tageblatt, Matthias Schneider-Dominco
Bielefeld
November 2006
Ereignishafter
Dreiklang
Es war ein ereignishafter Dreiklang von Werk,
Interpret und Instrument, zu dem das Museum Huelsmann an diesem Wochenende den
kostbar-intimen Rahmen lieferte: In einer Gesprächskonzert Trilogie
präsentierte der renommierte Tastenmusiker Gerrit Zitterbart auf einem
historischen Hammerflügel (Wien 1829) die drei in Franz Schuberts Todesjahr
1828 entstandenen letzten Klaviersonaten.
Authentischer und plastischer lässt sich ihr
besonderer zyklischer Charakter (Schubert schrieb an allen drei gleichzeitig!)
kaum vermitteln. So (vor-)spielerisch-diskursiv der Klavierdozent Zitterbart in
kompositorische Eigenarten und Zusammenhänge der Trias einführte, so
faszinierend lebendig führte der Gründer-Pianist des seit 30 Jahren
erfolgreichen Abegg Trios sie aus: Schuberts existenzieller Zerrissenheit
zwischen Todesahnung und Aufbruch im Bewusstsein der Reife, musikalischer
"Daheimeligkeit" (im Sanglich-Zustandhaften seiner Melodik) und
Sich-fremd-Sein (in unerhörten harmonischen Rückungen und unvermittelten
Abbrüchen) ist er ein begnadeter Interpret.
Für ein Klangbild wie zu Lebzeiten des Komponisten
sorgte der größte Schatz vor Ort, ein Hammerflügel der seinerzeitigen Wiener
Nobelfirma Nannette Streicher, geb. Stein. Wieso der berühmte Fachkollege
Andreas Staier einmal bei einem Oetkerhallen-Auftritt vor der (für Schubert zu
langsamen?) "oberschlägigen" Mechanik des raren Prunkstücks kniff und
lieber in die Steinway Tasten griff, bleibt unerfindlich. Unter Gerrit
Zitterbarts Händen lässt selbst ein Allegro vivace con delicatezza zu nehmendes
Scherzo nichts an leichtgängiger Schnellkraft vermissen. Dafür fasziniert schon
bei der Einstimmung (oder Zugaben) der drei Abende mit Schubert-Tänzen die ganz
eigen ausregistrierte und mit enormer Klarheit der Stimmverläufe aufwartende
Klangfarbigkeit. In den Sonaten-Welten fallen aus der Kontraoktav
herausgeschleuderte Extremtöne oder wenn der Diskant mit filigranätherischen
Pianino- bis Zither-Anklängen aufwartet geradezu als Grenzerfahrungen ins Ohr.
Seligkeit und Schmerz, Glück und Verzweiflung
Seligkeit und Schmerz, Glück und Verzweiflung
In Gerrit Zitterbarts umgestellter Abfolge erhält die
mild strömende Gesanglichkeit in B-Dur (D 960) das erste, die heillos
umdüsterte Tarantella-Entfesselung in c-Moll (D 958) das letzte Wort. Ob er
wunderbar transformatorisch dem moderaten B-Dur-Pulsschlag folgt oder
unvermittelt zwischen den gegensätzlichen Sphären in A-Dur wechselt er legt die
Schubertschen Seelenzustände klangdramaturgisch offen, durchlebt ihre jederzeit
ambivalenten Stimmungen und Verstörungen in nuancierter Klanglust. Seine
Pausen-Abbrüche reißen senkrechte Abgründe auf, über die die scheinbar
trällernd frohgemuten Final-Rondos nur mit gewaltsamer Stretta-Virtuosität zum
Ende finden. Nichtsdestoweniger gibt er all den Themengebärden und
Klangflächen, Umschwüngen und Doppelbödigkeiten musikalische Stringenz und
innere Geschlossenheit. Seligkeit und Schmerz, Glück und Verzweiflung sind in
diesem Schubert Spiel zum Greifen nah. Das kleine Kenner-Publikum zollte dem
Künstler bewundernden Beifall. Und sein Klangmedium, der Bielefelder Nannette-Streicher-Hammerflügel,
würde sich in der langen Liste seiner CD-Aufnahmen sicher ausgezeichnet machen.
Neue
Westfälische, Michael Beughold
Coburg, Mai
2006
Spannende Reise
durch Klangwelten
Das kennen wir alle: Ein Pianist betritt das Podium,
absolviert sein vorgelegtes Programm, nimmt mehr oder weniger huldvoll den
Beifall entgegen, sammelt seine letzten Kräfte für eine Zugabe und
verabschiedet sich mit unverbindlichen Verbeugungen von seinem Publikum, um in
seiner Privatsphäre zu verschwinden.
Nicht so bei Gerrit Zitterbart, jenem Pianisten,
dessen Herz am originalen Klavierklang der Klassik hängt. Bei ihm wird ein
Klavierabend zu einem eher familiären Beisammensein, wie die Mitglieder und
Gäste des Coburger „Verein“ am Montagabend im Foyer der HUK erfreut feststellen
konnten. Er benötigte kein Künstlerzimmer, denn er stand vor dem Konzert, in
der Pause und auch nach seinem Programm Zur Information und Unterhaltung dem
Publikum zur Verfügung.
Doch auch im Rahmen des Konzertes gaben seine Ausführungen den Zuhörern wertvolle Hinweise zu den interpretierten Werken und vor allem zu dem besonderen Instrument, das er mitgebracht hatte. Es handelte sich um einen Nachbau eines Hammerflügels von Anton Walter, Wien 1795. Wolfgang Amadeus Mozart bezog ebenfalls ein Instrument dieses Klavierbauers.
Die Instrumente jener Zeit waren mit Lederhämmern ausgerüstet und anstelle des heutigen Pedals gebrauchte man einen Kniehebel, der zudem ein Moderato-Register mit weicherem Klang schalten konnte. Vor dem modernen Flügel aufgestellt wirkte dieses Instrument umso schlanker und zierlicher, wobei seine äußere Form bereits optisch auf den Klang vorbereitete. Dieser ist schlank, leicht metallisch, etwas schwebend und trotz aller Intimität raumfüllend. Beim Spiel ergeben sich durch veränderte Obertonreihen zuweilen überraschende harmonische Ergebnisse, bis hin zum Zweifel an der Richtigkeit der gewählten Töne.
Doch auch im Rahmen des Konzertes gaben seine Ausführungen den Zuhörern wertvolle Hinweise zu den interpretierten Werken und vor allem zu dem besonderen Instrument, das er mitgebracht hatte. Es handelte sich um einen Nachbau eines Hammerflügels von Anton Walter, Wien 1795. Wolfgang Amadeus Mozart bezog ebenfalls ein Instrument dieses Klavierbauers.
Die Instrumente jener Zeit waren mit Lederhämmern ausgerüstet und anstelle des heutigen Pedals gebrauchte man einen Kniehebel, der zudem ein Moderato-Register mit weicherem Klang schalten konnte. Vor dem modernen Flügel aufgestellt wirkte dieses Instrument umso schlanker und zierlicher, wobei seine äußere Form bereits optisch auf den Klang vorbereitete. Dieser ist schlank, leicht metallisch, etwas schwebend und trotz aller Intimität raumfüllend. Beim Spiel ergeben sich durch veränderte Obertonreihen zuweilen überraschende harmonische Ergebnisse, bis hin zum Zweifel an der Richtigkeit der gewählten Töne.
Die allerdings traf Gerrit Zitterbart bei Wolfgang
Amadeus Mozarts drei kleinen Klavierstücken immer. Filigran und geradezu listig
gestaltet spielte er zu Beginn das heitere Rondo D-Dur KV 485, dem er das
kontrastierend abgedunkelte Rondo a-Moll KV 511 gegenüber stellte. Vollends in
die intimeren Bereiche des Komponisten schlich sich der Pianist mit dem
Klavierstück h-Moll KV 540, dessen Träumerei er märchenhaft erklingen ließ.
Als zentrales Werk der ersten Konzerthälfte durfte
aber Mozarts Sonate c Moll KV 457 gelten, die ebenfalls auf dem historischen
Instrument interpretiert wurde. Wer nun glaubte, diese Sonate würde an ihrem
dramatischen Gehalt auf dem kleinen Hammerklavier verlieren, wurde getäuscht.
Mit gleicher elementarer Gewalt und Vorwärtsdrang bewältigte der Pianist den
ersten Satz (Molto Allegro), sang die Elegie des Adagio frei schwingend aus und
gab dem abschließenden Allegro assai die nötige Portion Wut mit.
Für Franz Schuberts Sonate B-Dur op. posth. D 960
setzte sich Gerrit Zitterbart an den großen Steinway, der wieder in die
aktuelle Klangwelt führte. Diese Sonate stellt höchste Anforderungen an die
Klangkultur eines Pianisten, seine Anschlagskunst und seine Fähigkeit der
inneren Gliederungen. Bei Gerrit Zitterbart, der das mehr als halbstündige Werk
auswendig spielte, fand man all diese Tugenden in reichem Maße.
Spannungsvoller hätte man die Entwicklung des ersten
Satzes Molto moderato vom kreisenden Kernthema aus nicht gestalten können. Er
gestaltete nicht in Schritten, sondern schuf ineinander fließende Linien, einen
Kosmos sich gegenseitig beeinflussender Kräfte und Emotionen. Das Gebäude des
folgenden Andante sostenuto erhielt unter seinen Händen eine erstaunliche
Statik, auf den Pfeilern der Orgelpunktbässe ruhend. Dem mit Gegenakzenten
gespickten Scherzo Allegro vivace folgte der fast apotheotisch wirkende
Schlusssatz wie ein musikalisches Vermächtnis des Komponisten.
Wer dem Publikum einen Finger reicht, in diesem Fall
ein jugendliches Scherzo von Franz Schubert als Zugabe, muss schließlich die
ganze Hand geben. Gerrit Zitterbart gab sie, indem er den zweiten Satz von
Mozarts Sonate C-Dur KV 330 zum Vergleich auf beiden Instrumenten darbot.
Neue Presse
Coburg, Martin Potyra
Mannheim Mai
2006
Sensibles
Hämmern
Er ist 85 Kilo leicht, vier Jahre jung, lässt sich
schnell zerlegen und auf einem PKW-Anhänger kutschieren: der Hammerflügel von
Gerrit Zitterbart. Er stellt ihn als Kopie eines Wiener Originals von 1795 vor.
Mit einem Handgriff zieht er das Manual aus dem Gehäuse, um dem Publikum der
Mozart-Gesellschaft Kurpfalz das Innenleben zu zeigen. Wenn die lederbezogenen
Hämmerchen die Saiten anschlagen, erzeugen sie kristallene, einzeln perlende
Töne, die sich mit der Akustik in Mannheims Schlosskirche bestens vertragen.
Der technische Fortschritt macht sich besonders in den Bass-Regionen bemerkbar,
die schwere Gänge, Donner-Effekte und gefühlsbetonte Abstürze erlauben.
Aus dieser Tiefe schöpft Zitterbart die Impulse für
seinen "Originalklang". Der Hannoveraner Professor relativiert diesen
Titel während seiner anschaulichen Einführung; als gewissenhafter Historiker
muss er erwähnen, dass die Instrumentenbauer um 1800 unentwegt
herumexperimentierten, sodass allenfalls von einem unter vielen Originalklängen
die Rede sein kann. Auf den Hammerflügel in Mozarts Geburtshaus ging er leider
nicht ein, aber es wird ohnehin deutlich, worauf es ihm ankommt: Zu
vergegenwärtigen, wie es sich angehört haben mag, als Mozart die
"Gewitter-Zonen" in den Variationen KV 455 und 613 oder in der Sonate
KV 333 auskostete. Wer nicht täglich am Hammerflügel sitzt, ist doch sehr
empfänglich für die metallischen, perkussiven Verwandlungen des
Virtuos-Verschnörkelten und Geistvoll-Unterhaltenden, die Phasen von der
nachdenklichen Frage bis zum Bekenntnishaften durchlaufen. Bei Haydns
f-Moll-Variationen und e-Moll-Sonate übt sich der Pianist noch in
gestalterischer Bescheidenheit. Er konzentriert sich zwar auf Kontraste, teils
spritzig, teils strömend. Die Wucht der Bässe behält er sich für Mozart vor.
Mannheimer
Morgen
Hirschberg Mai
2006
So leicht zu
hören und doch so schwer zu spielen
"Mozart in der Werkhalle" - Erinnerungen
drängen sich da ein bisschen auf. Furtwängler und die "Berliner" im
Kabelwerk Oberspree, Schostakowitsch und die "Leningrader" ihrer
belagerten Stadt. Es ist, bezieht man vergangene Zeiten mit ein, nicht
ungewöhnlich, dass Klassik auch in einem ungewohnten Ambiente vermittelt wird.
Und doch: Chor- und Kirchenmusik, von der kleineren Formation bis hin zum veritablen
Sinfonieorchester, dazu Ballett und Folklore, Pop und Jazz in einer
Aufführungsreihe und unter einem Dach stellen eine Novität in der Region dar.
Dass "Musik bewegt", dass "Kinder der
Rhythmus dieser Welt" sind, haben viele Mitwirkende in den vergangenen Tagen
in der "Goldbeck-Halle" in Hirschberg bewiesen. Ihren Abschluss fand
diese Veranstaltungsreihe am Mittwochabend, an dem die Heidelberger Sinfoniker
und ihr Dirigent Thomas Fey, zusammen mit dem Pianisten Gerrit Zitterbart, zum
konzertanten Ausklang geladen hatten. Fast 400 Besucher fanden sich dazu ein.
Auch die getroffene Auswahl aus Mozarts Œuvre (immerhin hat er 28 Werke für Klavier und Orchester geschrieben) bewegte sich nicht im Bereich des Alltäglichen, des immer-wieder-und-schon-allzu-oft-Gehörten. Mit den beiden, in freundlichem "Dur" stehenden Konzerten KV 413 und 415, entstanden 1782 und 1783 in Wien, hatten die "Heidelberger" sich für eine nicht allzu schwere Kost entschieden. Mozart hat sie, soweit man es weiß, nicht als Auftragsarbeiten geschrieben, sondern sozusagen "auf Vorrat", nachdem er von Graf Arco mit einem Fußtritt aus seiner bisherigen Stellung vertrieben worden war.
Auch die getroffene Auswahl aus Mozarts Œuvre (immerhin hat er 28 Werke für Klavier und Orchester geschrieben) bewegte sich nicht im Bereich des Alltäglichen, des immer-wieder-und-schon-allzu-oft-Gehörten. Mit den beiden, in freundlichem "Dur" stehenden Konzerten KV 413 und 415, entstanden 1782 und 1783 in Wien, hatten die "Heidelberger" sich für eine nicht allzu schwere Kost entschieden. Mozart hat sie, soweit man es weiß, nicht als Auftragsarbeiten geschrieben, sondern sozusagen "auf Vorrat", nachdem er von Graf Arco mit einem Fußtritt aus seiner bisherigen Stellung vertrieben worden war.
Nichts von diesen misslichen Umständen findet sich in
Mozarts Musik; heiter und unangestrengt wirkend musizierten das Orchester und
der Solist den Allegro-Eingangssatz, ließen ihm einen geradezu
"klassisch" anmutenden Larghetto-Satz folgen. Nur wenige und sehr
sanfte Akzente zum sensiblen Spiel des Solisten fügte das Orchester hinzu;
feiner und ausdrucksvoller kann man Mozart wohl kaum spielen. Das gilt auch
ohne Einschränkung für den abschließenden Menuetto-Satz; eine feine, weich
klingende Arbeit mit gut gesetzten und dennoch nie dramatisierten Akzenten.
Noch etwas mehr an Klang und Volumen zeigte das
Orchester im zweiten Werk des Abends, im Klavierkonzert KV 415. Wahrhaft
"mit Pauken und Trompeten", die jetzt hinzugekommen waren - fülliger
wurde der Klang, ohne die Charakteristik Mozartscher Musik zu verlassen.
Verhalten die ersten Takte, um dann in eine mächtige Tutti-Passage zu münden -
ein Auftakt, der über brillante Soli zu eindringlich, aber nie
"massig" wirkenden Orchesterpartien führte. Geradezu
"seidenweich" gemacht, sowohl vom Orchester als auch vom Solisten,
der klangvolle Andante-Satz; mündend in einen temporeichen und doch sanfte
Passagen einschließenden Schlusssatz, mit feinem Humor musiziert. Noch darin
ein paar Erinnerungen an die Pathetik des ersten Satzes und dann doch phrasenlos
ins Finale geführt.
Eine interessante "Zugabe" hatte Professor
Zitterbart für das Auditorium parat: Wissenswertes über das ungewöhnlich
erscheinende Instrument, auf dem er musizierte - Nachbau eines
"Pianoforte". Und natürlich gab es auch "echte" Zugaben;
hatten sich schon Thomas Fey und "die Heidelberger" für den
langanhaltenden Applaus bedankt, so konnte Gerrit Zitterbart noch etwas
"draufsetzen". Gleich zwei Zugaben, eine temperamentvolle und eine
etwas verhaltene. Mit denen ein ebenso heiteres wie hochkarätiges Konzert und
eine ebenso wertvolle wie bereichernde Veranstaltungsreihe ihr Finale fand.
Mannheimer
Morgen
Frankfurt
Januar 2006
Ein Ferrari für
Mozart
„Des
Wolfgangerl Compositionen in den ersten 3 Monaten nach seinem 5ten Jahre“
zeigten in der Auswahl und chronologischen Abfolge, die Gerrit Zitterbart beim
Neujahrsempfang der Frankfurter Bürgerstiftung im Holzhausenschlößchen
vorstellte, eine rasante Entwicklung: Schon anhand der ersten, sekundenkurzen
Klavierstücke mit den Köchel-Verzeichnisnummern KV 1a, b, c, d, 2, 3, 4 und 5
lasse sich nachvollziehen, wie der Wunderknabe Mozart sich mit dem
Tasteninstrument von Monat zu Monat immer besser vertraut gemacht habe,
erläuterte der Pianist des Abegg-Trios zu seinem Vortrag. Er spielte im
Zusammenhang mit der Ausstellung "Drei Generationen Mozart in
Frankfurt" (F.A.Z. vom 14. Januar), die zum Empfang offiziell eröffnet
wurde und bis zum 24. Februar im Holzhausenschlößchen zu sehen sein wird, auf
einem historischen Hammerflügel, einer Leihgabe aus der Sammlung Michael
Günther.
Das um 1790 von Ferdinand Hofmann in Wien gebaute
Instrument wäre allerdings sicherlich "ein Ferrari für Mozart"
gewesen, sagte Zitterbart. Denn angefangen habe der junge Komponist auf
wesentlich einfacheren Instrumenten. Eigentlich müßten seine frühesten Stücke
sogar auf einem Clavichord oder Cembalo gespielt werden. Aufgeschrieben habe
die Sätze anfangs noch Vater Leopold Mozart wohl in Anlehnung an Improvisationen
seines Sohnes, die er noch etwas ausfeilte. Nach dem Besuch in Frankfurt im
Zuge einer Konzertreise 1763 begann das kleine "Wolfgangerl" dann
aber auch schon, musikalische Ideen selbst in Noten zu fixieren.
Musikalische "Explosionen" und
"Quantensprünge" sind, nach Zitterbart, der sich seit langem mit
historischen Tasteninstrumenten beschäftigt und seit einiger Zeit auch Konzerte
auf Hammerflügeln gibt, dann in den Kompositionen des Jahres 1764 zu
verzeichnen - bis hin zu dem inspirierten Klavierstück C-Dur KV 9a. In England
machte die Familie Mozart im selben Jahr Bekanntschaft mit dem jüngsten
Bach-Sohn Johann Christian, der schon im frühen klassischen Stil schrieb und
von dem der junge "Götterliebling" zweifelsohne manche Anregung
empfing. Auch lernte er in London vermutlich hervorragende neue Instrumente
kennen.
Das dort in dieser Zeit entstandene, von Zitterbart besonders differenziert vorgetragene, durch die Moll-Tonart und die Harmonien tiefgängige Klavierstück g-Moll KV 15p schien diese vielfältigen Eindrücke zu spiegeln. Wie viele klangliche Facetten sich dem im Grunde nachmozartschen Hammerflügel abgewinnen lassen, demonstrierte Zitterbart schließlich am eindrucksvollsten mit zwei hochkarätigen Werken späterer Jahre: mit der Fantasie d-Moll KV 397 und der Sonate B-Dur KV 333.
Das dort in dieser Zeit entstandene, von Zitterbart besonders differenziert vorgetragene, durch die Moll-Tonart und die Harmonien tiefgängige Klavierstück g-Moll KV 15p schien diese vielfältigen Eindrücke zu spiegeln. Wie viele klangliche Facetten sich dem im Grunde nachmozartschen Hammerflügel abgewinnen lassen, demonstrierte Zitterbart schließlich am eindrucksvollsten mit zwei hochkarätigen Werken späterer Jahre: mit der Fantasie d-Moll KV 397 und der Sonate B-Dur KV 333.
Frankfurter
Allgemeine Zeitung
Heidelberg Oktober
2004
Festival »La
Passione«: Zwei Beethoven-Welten
Gerrit Zitterbarts instruktiver Klavierzyklus beim »La
Passione«-Festival
»Man ist bei diesem Instrument einfach näher dran am Komponisten«: Gerrit Zitterbart, Pianist des Abegg´Trios und langjähriger Musizierpartner der Heidelberger Sinfoniker, ist ein erklärter Fan des klassischen Hammerflügels und vermittelt diese Begeisterung so ansteckend wie nur irgend denkbar. Sein an drei verschiedenen Konzertorten in Ladenburg, Neckarhausen und in Leimen präsentierter Beethoven-Zyklus im Rahmen des Festivals »La Passione« machte freilich nicht nur mit der wesentlich feineren (Holz-)Bauweise und dem besonderen farblichen Charme des historischen Tasteninstruments vertraut, sondern eröffnete auch die seltene Möglichkeit zum direkten Klangvergleich mit dem modernen Konzertflügel.
»Man ist bei diesem Instrument einfach näher dran am Komponisten«: Gerrit Zitterbart, Pianist des Abegg´Trios und langjähriger Musizierpartner der Heidelberger Sinfoniker, ist ein erklärter Fan des klassischen Hammerflügels und vermittelt diese Begeisterung so ansteckend wie nur irgend denkbar. Sein an drei verschiedenen Konzertorten in Ladenburg, Neckarhausen und in Leimen präsentierter Beethoven-Zyklus im Rahmen des Festivals »La Passione« machte freilich nicht nur mit der wesentlich feineren (Holz-)Bauweise und dem besonderen farblichen Charme des historischen Tasteninstruments vertraut, sondern eröffnete auch die seltene Möglichkeit zum direkten Klangvergleich mit dem modernen Konzertflügel.
Für seine ebenso instruktive wie unterhaltsame
Zeitreise in Sachen Beethoven verwendete Zitterbart eine von Michael Walker
gebaute Kopie genau jenes Anton-Walter-Flügels, den der Komponist selbst
zwischen 1795 und 1804 besessen. und gespielt hat Auf diesem Instrument erlebt
man den kompromisslos technische wie künstlerische Grenzen ausreizenden
Klangexperimentator und Ausdrucksmusiker Beethoven in aufregend neuer,
ungeglätteter Intensität.
Insbesondere die den Zyklus krönende »Waldstein«-Sonate C-Dur op. 53 wurde in Zitterbarts herrlich knackiger und pointierter Hammerflügel-Wiedergabe zum echten Hörabenteuer, neben dem die vorangestellte Konzertflügel-Version – bei aller ebenbürtigen Brillanz des Vortrages – doch erstaunlich blass und konventionell wirkte.
Insbesondere die den Zyklus krönende »Waldstein«-Sonate C-Dur op. 53 wurde in Zitterbarts herrlich knackiger und pointierter Hammerflügel-Wiedergabe zum echten Hörabenteuer, neben dem die vorangestellte Konzertflügel-Version – bei aller ebenbürtigen Brillanz des Vortrages – doch erstaunlich blass und konventionell wirkte.
Der unerhört farbige und griffige Sound eines solchen
»Originalinstruments« erscheint in der Tat unverzichtbar, wenn man Beethovens
Klavierwerke quasi von ihren Ursprüngen her begreifen will. Und dass eine gute
Portion »Hammerklavier-Leichtigkeit« auch auf dem modernen Flügel keineswegs
schaden kann, hat Gerrit Zitterbart ohnehin schon immer eindrucksvoll bewiesen.
»Näher dran am Komponisten« fühlte man sich bei diesem
ungewöhnlich kommunikativen und entspannten, das Publikum in Fragerunden sogar
aktiv einbindenden Beethoven-Zyklus in jedem Fall. Für derartige
Gesprächskonzert-Reihen ist der joviale Virtuose ohne Zweifel die
Idealbesetzung.
Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg, Klaus Roß
Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg, Klaus Roß
Göttingen März 2003
Im Walzer
gewirbelt
Hoch ging's her, als am sonnigen Sonntagvormittag
Gerrit Zitterbart im Kinderkonzert Musik von »Robert und Peter«, also Schumann
und Tschaikowsky vorstellte. Da gab es feurige Ritte auf einem Steckenpferd,
sausende Schlittenfahrten durch winterliche Landschaften, ja sogar einen echten
Walzer, bei dem Zitterbart die kleine Leonie aus der ersten Reihe im Kreise
wirbelte.
An Tschaikowskys Kinderstücken und etlichen Stücken aus Schumanns »Album für die Jugend« machte Zitterbart einen unterhaltsamen Ausflug in die Welt der Töne, erzählte dabei auch etwas von Rhythmus, Melodie, Harmonie und Form, ohne aufdringlich zu belehren, gab Erläuterungen, stellte Fragen und erzählte Geschichten. Dabei entwarf er lebendige musikalische Bilder. Sein Publikum im Deutschen Theater unterhielt er blendend - und kultiviert.
An Tschaikowskys Kinderstücken und etlichen Stücken aus Schumanns »Album für die Jugend« machte Zitterbart einen unterhaltsamen Ausflug in die Welt der Töne, erzählte dabei auch etwas von Rhythmus, Melodie, Harmonie und Form, ohne aufdringlich zu belehren, gab Erläuterungen, stellte Fragen und erzählte Geschichten. Dabei entwarf er lebendige musikalische Bilder. Sein Publikum im Deutschen Theater unterhielt er blendend - und kultiviert.
Göttinger
Tageblatt, Michael Schäfer
Hannover Februar 2002
Von Terzen und
Tönen – Kinderkonzert in der Musikhochschule Hannover
Bach für Siebenjährige? Mozart für Vorschüler? Warum
nicht, schließlich hat Wolfgang Amadeus bereits mit fünf Jahren recht
erfolgreich komponiert. Der hannoversche Pianist Gerrit Zitterbart hat jetzt in
der Musikhochschule seinen zahlreichen kleinen Zuhörern eindrucksvoll
demonstriert, dass noch viel mehr geht. In seiner Musik, die Geschichten
erzählt, dem ersten Kinderkonzert an der Hochschule, kommt Debussys kleiner
Schäfer genauso zum Zuge wie das phantastische Duett zweier Bäume vor dem
Fenster von Paul Hindemith oder ein Chopin-Walzer in a-Moll.
Zitterbart versteht es dabei bestens, seinen Flügel
und die Noten im Sinne der Kinder einzusetzen. Ganz nebenbei lernen die Zuhörer
etwas über Terzen und Töne, dass Dur und Moll lustig und traurig oder hell und
dunkel klingen und man am Schluss lieber nicht zu lange applaudieren sollte.
»Dann hört der Pianist vielleicht gar nicht mehr auf.«
Die Reise in die Welt der Kompositionen hat Zitterbart
mit Riesendias untermalt – von den Köpfen der Meister, schließlich lieben
Kinder Bildergeschichten. Und wenn sich Zitterbart am Ende bei Beethovens »Wuth
über den verlornen Groschen« austobt, ist es fast mucksmäuschenstill im
Theatersaal. Das haben die Kinder schließlich gleich zu Anfang gelernt, nämlich
dass »die Musik davonläuft wie ein scheues Tier im Wald, wenn es zu laut wird.«
Eine gelungene Premiere, bei der auch die Erwachsenen etwas lernen können:
Schließlich haben etliche musikalische Meister vor allem Stücke für ihre Kinder
komponiert.
Hannoversche
Allgemeine Zeitung, Susanna Bauch
Coburg Dezember 2002
Pianistische
Initialen
»Und er ist gekommen, ein junges Blut, an dessen Wiege
Grazien und Helden Wache hielten«, schrieb Robert Schumann über den 20-jährigen
Johannes Brahms. Werke des Gönners und des Jüngers hatte der Klavierprofessor
aus Hannover, Gerrit Zitterbart, bei seinem Klavierabend beim Coburger »Verein«
im Foyer der HUK auf das Programm gesetzt, das dadurch eine große
Geschlossenheit erfuhr. Das Klavier wurde bei Schumann nach einer Epoche des
sinnlichen Klangreizes und brillanter Fertigkeit wieder zum Werkzeug des monologisierenden
Tondichters.
In den beiden zum Vortrag gelangten Frühwerken feierte
das alte Spiel mit den »musikalischen Buchstaben« fröhliche Urständ. Von dem
Spätklassiker und Nachfolger Beethovens, Brahms, erklangen Spätwerke, in denen
der Komponist noch einmal einen neuen Stil seiner Klaviermusik kreierte. An
Stelle der pianistischen Initialen traten nun tiefe Einblicke in den Seelen-
und Gemütszustand des Komponisten, nachdem die letale Krankheit bei ihm
diagnostiziert worden war.
Mit seinem Opus 1, den Abegg-Variationen, schuf
Schumann – wie es seiner Zeit entsprach – ein »Albumblatt«, das noch bei Hummel
wurzelt. Das Thema und seine Sequenzen wurden von Gerrit Zitterbart deutlich
und variabel vorgestellt, während die einzelnen Variationen in schöner
Transparenz und Plastizität charaktervoll ausmusiziert waren, wobei bei
stupender Technik eine Mischung aus brillantem Laufwerk und romantischem Ausdruck
erzielt wurde.
Schumanns Carnaval ist sein pianistisch glänzendster Tanzzyklus, so dass er nicht von ungefähr zu einem der beliebtesten Konzertstücke avancierte. Nachdem der Gast aus Hannover des Préambule kraftvoll-hymnisch vorgestellt hatte, ließ er die Figuren der Commedia dell’Arte vergnüglich tanzen, charakterisierte die Davidsbündler Eusebius und Florestan und die Komponistenkollegen Chopin und Paganini, kostete bei allem turbulenten Faschingstreiben besonders die lyrischen Passagen voll aus, ließ die Walzer gefühl- bis schwungvoll erklingen, um den Zyklus martial mit dem »Marsch der Davidsbündler« zu beschließen, der zu einer atemberaubenden synkopierten Stretta geführt wurde.
Schumanns Carnaval ist sein pianistisch glänzendster Tanzzyklus, so dass er nicht von ungefähr zu einem der beliebtesten Konzertstücke avancierte. Nachdem der Gast aus Hannover des Préambule kraftvoll-hymnisch vorgestellt hatte, ließ er die Figuren der Commedia dell’Arte vergnüglich tanzen, charakterisierte die Davidsbündler Eusebius und Florestan und die Komponistenkollegen Chopin und Paganini, kostete bei allem turbulenten Faschingstreiben besonders die lyrischen Passagen voll aus, ließ die Walzer gefühl- bis schwungvoll erklingen, um den Zyklus martial mit dem »Marsch der Davidsbündler« zu beschließen, der zu einer atemberaubenden synkopierten Stretta geführt wurde.
Seine drei Intermezzi op. 117 bezeichnete Brahms
einmal als »Wiegenlieder meiner Schmerzen«. Ganz im Zeichen dieses Zitates
bewegte sich die Wiedergabe durch Gerrit Zitterbart. Introvertiert und
melancholisch vernahm man das Es-Dur-, melodiebetont und expressiv das b-Moll-
und düster empfunden und spannungsvoll das cis-Moll-Intermezzo. Attacca ließ
der Meisterpianist die sieben Fantasien op. 116 folgen, wobei die drei
Capriccien energiegeladen, schroff und leidenschaftlich ausgedeutet waren,
während die vier Intermezzi zwischen schmerzvoller Kantabilität und Düsternis
wandelten. Dabei wurden alle Sätze musikalisch tief schürfend angelegt. Eine
besonders transzendente Wirkung erzielte der Künstler mit der Interpretation
des E-Dur-Adagios, indem er es ganz in die Nähe der »Feldeinsamkeit« rückte.
Mit einem langsamen Sonatensatz als Zugabe »outete«
Zitterbart Mozart als einen Vorläufer für die Brahmsschen Spätwerke. Durch
seine informative geschliffene Moderation erweiterte Gerrit Zitterbart den
Klavierabend zu einem -recital . Aber auch der Steinway der HUK hatte einen
großen Anteil an einer tief beeindruckende Veranstaltung des »Vereins«.
Coburger
Tageblatt, Hans Höfer
Heidelberg April 2000
Beethoven, Klavierkonzert
Nr. 1 C-Dur op.15
… Beethovens C-Dur-Klavierkonzert op.15, als Nr.1 bei
Anlaß jener Wiener Akademie vorgestellt und später auch so gedruckt, ist in
Wahrheit das zweite: das B-Dur-Konzert entstand schon vor diesem, und um 1800
arbeitete der Komponist bereits an seinem dritten Solokonzert. Gerrit
Zitterbart war der Solist der jetzigen Aufführung, und wieder einmal erstaunte
seine pianistische Omnipotenz genauso wie die absolute Stilsicherheit seiner
Interpretation. Lockere Eleganz im Überblick und die gekonnte Einbindung
diffiziler Einzelheiten ins Werkganze verschmelzen bei ihm in nahezu idealer
Weise, auch, wenn der etwas belanglos wirkende Largo-Satz bei gleichem Tempo
durchaus etwas mehr Verinnerlichung hätte vertragen können.
Bei der nach dem rasant verlaufenden Finalsatz
gewährten Zugabe war man allerdings an jenem Punkt angelangt, an dem Beethoven
seinerzeit zu »fantasieren« begann: Zitterbart zog sich virtuos aus der Affäre
mit einer Originalkadenz des Komponisten zum Kopfsatz des gehörten Konzerts,
die dieser notiert, aber abgebrochen hatte. Zitterbart führte sie zu einem furiosen
Ende.
Rhein-Neckar-Zeitung
Heidelberg, Matthias Roth
Hinterzarten Juni 2000
Mozart,
Klavierkonzerte KV 246, KV 271
… Schließlich ist Gerrit Zitterbart ein Pianist, der
nicht nur sehr pointiert, sondern außerdem noch ideenreich und mit viel gestalterischem
Witz zu spielen versteht. Und der noch zusätzlich über die Gabe der
klangfarblichen Mimikry am Klavier verfügt: der also etwa seinen Anschlag der
Tonproduktion bei Streicher-Pizzicati annähert, der sich ins Orchestertutti
einschleichen kann wie auf samtenen Tatzen.
In Belangen der gestalterischen Detailarbeit sind
Orchester und Solist oft fantastisch aufeinander eingespielt. Davon profitierte
Mozarts »Jeunehomme«-Konzert (KV 271) ebenso wie das deutlich konventionellere
Konzert KV 246, das Mozart auf die dilettantischen Tastenkünste Antonia
Lützows, einer Nichte des Salzburger Erzbischofs Colloredo, zuschnitt (eine
Tatsache, die Zitterbart auf virtuose Weise kaschierte).
Badische
Zeitung, Susanne Benda
Frankfurt Juni 2000
Mozart,
Klavierkonzerte KV 238, KV 246, KV 271
… Das Resultat: ein leichtes und elegantes Spiel
voller Frische. Ohne übertriebene Interpretations-Gags zu bemühen, gaben die
Orchestermusiker und der Pianist dem B-Dur-Konzert ihr eigenes Gepräge. Schroff
abgeteilte Phrasen in der Orchester-Exposition des Allegro aperto, durch
Dämpfer auf den Streichern zusätzlich reduzierter Klang im Andante un poco
adagio und die turbulenten, stets flüssigen Piano-Passagen im Rondo: Das innige
Zusammenspiel von Orchester und Pianist spiegelte wider, wie Mozart sich im
engen Rahmen der höfischen Musik eigene expressive Wege suchte.
Frankfurter
Rundschau, Volker Schmidt
Heidelberg Februar 1999
Mozart,
Klavierkonzert KV 37
Das erste Klavierkonzert (1767, KV 37) klingt
demgegenüber »gereifter« – was auch kein Wunder ist: Mozart borgte sich ein
paar Sätze von Klaviersonaten aus, die Zeitgenossen komponiert hatten,
instrumentierte und korrigierte sie teilweise – und nicht ungeschickt … Der
Pianist Gerrit Zitterbart und die Sinfoniker beleuchteten diese frühe Arbeit
als selten gespieltes Kleinod der Klavierliteratur in vielfach wechselnden
Farben. Zitterbarts manuelle Geläufigkeit und differenzierende
Formulierungskunst waren, wie die gute Disposition des Orchesters, hierzu die
besten Voraussetzungen. Dabei veredelte man die drei Sätze durch reiche
seelische Empfindung und intelligenteste musikalische Gestaltung. Zitterbart
ist ein Mozart-Interpret, bei dem sich gedankliche Tiefe und spielerische
Leichtigkeit ungewöhnlich harmonisch und natürlich miteinander verbinden.
Rhein-Neckar-Zeitung
Heidelberg, Matthias Roth
Heidelberg März 1999
Haydn,
Klavierkonzert D-Dur
Allerhöchstes Haydn-Vergnügen… Der zweite Teil des
Abends servierte mit dem sogenannten »Zigeunertrio« G-Dur Hob.XV:25 und dem
ebenfalls vertraut folkloristisch gewürzten D-Dur-Klavierkonzert Hob.XVIII:11
die zwei pianistischen Haydn-Hits schlechthin. Kaum allerdings dürfte man diese
beiden Publikumslieblinge par excellence je so funkensprühend und
temperamentssatt, so beherzt und innig animiert, so betörend charmant und
detailverliebt, so musikantisch-spontan und dennoch hinreißend espriterfüllt,
in ihren formalen Proportionen wie in ihrem klanglichen Kolorit so
instinktsicher gewichtet und nuanciert gehört haben wie hier. Beim
ungarisch-rassig beschlossenen D-Dur-Konzert sorgten die Sinfoniker für
nachgerade phänomenal quick und agil pulsierende Partnerschaft. Das verdiente
die enthusiastischsten Ovationen des Abends.
Rhein-Neckar-Zeitung
Heidelberg, Klaus Roß